Die wichtigsten Argumente gegen Makroevolution

Kritische Anmerkungen zu einem Informations-Blatt der Studiengemeinschaft Wort und Wissen zu deren evolutionskritischem Lehrbuch.

Vorbemerkung: Einige Anmerkungen zu der Studiengemeinschaft Wort und Wissen
Einige Anmerkungen zum Begriff 'Makroevolution'
Die wichtigsten Argumente gegen Makroevolution
1. Die Entstehung des Lebens ist nicht direkt erforschbar
2. Die Entstehung des Lebens ist ungeklärt
3. Die Entstehung neuer Konstruktionen ist ungeklärt
4. Das systematische Fehlen von Übergangsformen in der Paläontologie
5. Baukastensystem
Zusammenfassung
Abbildungen
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Vorbemerkung: Einige Anmerkungen zu der Studiengemeinschaft Wort und Wissen

Wenn Sie sich auf Diskussionen mit Kreationisten oder Evolutionsgegnern einlassen, werden Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Studiengemeinschaft Wort und Wissen konfrontiert werden. Ich möchte an dieser Stelle Organisation und Ziele dieser Studiengemeinschaft nicht näher vorstellen, weil Sie alle Angaben auf der sehr übersichtlichen HomePage dieser Organisation finden können. Viele Mitarbeiter dieser Organisation, beispielsweise Binder, Gitt, Junker, Scherer und Wiskin, sind auch im Rahmen von Vortragsveranstaltungen sehr aktiv.

Die Publikationen der Studiengemeinschaft Wort und Wissen heben sich sehr wohltuend von den intellektuell und fachwissenschaftlich doch oft sehr dürftigen Traktätchen, die man üblicherweise von Kreationisten in die Hand gedrückt bekommt oder die im Fachhandel erhältlich sind, ab. Das zeigt sich auch daran, dass Sie auf der HomePage von Wort und Wissen sehr kritische Rezensionen kreationistischer Bücher finden, die es sich auf jeden Fall zu studieren lohnt. Viele Evolutionsgegner sind erfahrungsgemäß eher bereit, auf Argumente, die von Mitarbeitern von Wort und Wissen, die bekennende Kurzzeit-Kreationisten sind, stammen, einzugehen, als auf die Ausführungen von Agnostikern oder Atheisten. Wie Sie leicht anhand der Artikel auf der HomePage von Wort und Wissen nachlesen können, vertreten deren Mitarbeiter den typischen auf einer wortwörtlichen Interpretation der Bibel basierenden Kurzzeit-Kreationismus mit den bekannten Auffassungen von einer jungen Erde, einer weltweiten Sintflut und einer Schöpfungswoche. Diese Haltung basiert auf theologischen Überlegungen, die beispielsweise in dem Buch von Junker Leben durch Sterben? Schöpfung, Heilsgeschichte und Evolution (bei diesem Buch handelt es sich um eine erweiterte Fassung seiner Dissertation im Fach Theologie) sehr umfassend aufgezeigt werden.

Die Mitarbeiter von Wort und Wissen erheben aber zusätzlich den Anspruch, diese Thesen mit den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaften vereinbaren zu können. Positiv ist hierbei anzumerken, dass von diesen durchaus zugegeben wird, dass hier Probleme bestehen. Genauer, die Mitarbeiter sind meiner Meinung nach, solange sie glaubwürdig bleiben wollen, gezwungen, mehr oder weniger expressis verbis zuzugestehen, dass sie bisher noch keine Argumente gegen die naturwissenschaftlichen Widerlegungen ihrer Grundannahmen haben. Nach meiner Erfahrung wird das von den Mitarbeitern von Wort und Wissen in Diskussionen auch eingeräumt.

Genau genommen haben die Mitarbeiter von Wort und Wissen eine gewaltige Aufgabe geschultert: sie müssen nicht mehr und nicht weniger als ein vollkommen neues Weltbild errichten. Das 'Netz der Naturwissenschaften' ist inzwischen aus so vielen Erkenntnissen, die sich gegenseitig stützen, derartig dicht geknüpft, dass es absolut unmöglich ist, in diesem Rahmen beispielsweise eine junge Erde zu vertreten. Die radiometrischen Datierungen oder auch nur die Betrachtung des natürlichen Vorkommens von Isotopen auf der Erde lässt keinen anderen Schluss zu. Die üblichen Datierungen des Alters der Erde sind sehr zuverlässig, die üblichen Argumente von Kreationisten für eine junge Erde sind durchweg widerlegt..

Ein Aufweis einer nur 6.000 Jahre alten Erde wäre ein naturwissenschaftlicher Paradigmen-Wechsel, eine derart gewaltige wissenschaftliche Revolution, gegen die jede bisherige ein eher nebensächliches Ereignis darstellte. Einen solchen Paradigmen-Wechsel kann man nicht dadurch erreichen, dass man versucht, das eine oder andere Steinchen aus der Front der Gegner herauszubrechen (also beispielsweise versuchen, zu zeigen, dass DNA nicht abiotisch entstanden sein kann oder dass ein geologischer Prozess auch 'schnell' verlaufen kann), sondern es wäre erforderlich, eine konkrete Alternative aufzuzeigen, die alles das erklären kann, was die bisherige Naturwissenschaft erklären kann, und darüber hinaus noch mehr leistet. Davon sind die Mitarbeiter von Wort und Wissen aber noch weit entfernt. Daher bearbeiten die Mitarbeiter bisher nur Nebenkriegsschauplätze, beispielsweise, indem sie versuchen, eine Sintflut-Geologie zu entwickeln (wobei sie, nebenbei bemerkt, sehr viele in Kreationisten-Kreisen verbreitete Auffassungen widerlegen. Falls Sie sich für Diskussionen mit Sintflut-Anhängern wappnen möchten, ist die Lektüre des Buchs 'Sintflut und Geologie' ein Muss) oder Detailfragen der Evolutionslehre zu widerlegen.

Weite Verbreitung hat das sogenannte 'Evolutionsbuch' gefunden, das Junker und Scherer herausgegeben haben. Es liegt inzwischen in der 5. Auflage (die sich nur unwesentlich von der 4. unterscheidet) vor. An dieser Stelle soll keine Rezension dieses Buchs erfolgen (eine ausführliche Rezension finden Sie beispielsweise auf der Site von Martin Neukamm. Ich bin dabei, eine Linkliste zu Rezensionen dieses Buchs im Internet zu erstellen, falls es Sie interessiert, kann ich Ihnen gerne per E-Mail den vorläufigen Stand meiner Arbeit schicken). Ich möchte vielmehr anhand eines Informationsblatts, auf dem für dieses Buch geworben wird, aufzeigen, dass die anti-evolutionistischen Argumente auf der einen Seite ins Leere laufen, und auf der anderen Seite keine Stütze für die Auffassungen der Studiengemeinschaft Wort und Wissen darstellen.

[ Übersicht ]

Kritische Anmerkungen zum Informations-Blatt der Studiengemeinschaft Wort und Wissen mit dem Titel:

Die wichtigsten Argumente gegen Makroevolution

Einige Anmerkungen zum Begriff 'Makroevolution'

Dieses Informations-Blatt fasst die wichtigsten Argumente gegen eine naturalistische Erklärung von Evolution im eigentlichen Sinn ('Makroevolution' im kreationistischen Sprachgebrauch), also der Erklärung, wie die Formenfülle, die wir heute beobachten können, entstanden ist, zusammen. Typisch für diese Art Veröffentlichungen von Evolutionsgegnern ist, dass sie sich auf eine Kritik von Aussagen der üblichen Evolutionstheorien beschränkt, aber nicht klar formulieren, welche Alternative vorgeschlagen wird. Man muss sehr genau, oft zwischen den Zeilen, lesen, um zu erkennen, zu welcher weltanschaulichen Richtung die jeweiligen Autoren gehören.

Der Begriff 'Makroevolution' spielt in diesem Zusammenhang eine eminent wichtige Rolle. An anderer Stelle finden sie eine einigermaßen umfassende Analyse der Verwendung des Begriffs in der Evolutionslehre. Hier gehe zunächst etwas ausführlicher auf die Verwendung des Begriff in dem Informations-Blatt ein. Makroevolution wird dort etwas 'lustig' eingeführt als:

allgemeine Evolution "von der Amöbe bis zu Goethe"

Dies kann man als eingedeutschte Formulierung des amerikanischen 'from fish to Gish' oder auch 'von der Amöbe zum Menschen' werten. Dahinter steht ein durchaus interessanter Gesichtspunkt: es gibt verschiedene Aspekte von 'Evolution'.

Ganz klar wird das in der Legende zur Abbildung 1 zum formuliert:

Makro- und Mikroevolution sind grundverschiedene Konzepte. Mikroevolution (rechts) ist Variation vorhandener Konstruktionen (innerhalb von Grundtypen), Makroevolution (links) ist die Entstehung neuer Konstruktionen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang zudem die die Definition von Mikroevolution aus dem Informations-Blatt:

Zwar sind zahlreiche Mechanismen bekannt, die zu Veränderungen der Lebewesen führen, doch ermöglichen sie nur Variationen und Spezialisierungen (= Mikroevolution[ ... ]) bereits vorhandener Konstruktionen innerhalb von Grundtypen.

Daraus ist zu folgern, dass die üblichen Mechanismen für eine Evolution, die man beispielsweise in Schulbüchern findet, also die Veränderung von Lebewesen durch Mutation und Selektion, nach Auffassung der kreationistisch orientierten Autoren keine Lösung für das eigentliche Problem, nämlich die Höherentwicklung, darstellen. Explizit wird das in der Definition des Begriffs Makroevolution:

Die bekannten Evolutionsmechanismen Mutation (sprunghafte Änderungen des Ergbuts [sic]), Selektion (Auslese) und andere Faktoren reichen nicht aus, um die Entstehung neuer Konstruktionen (= Makroevolution [ ... ]) zu erklären.

Aus diesem Zusammenhang wird deutlich, dass das Begriffspaar 'Mikroevolution vs. Makroevolution' dualistisch aufgefasst wird: im Rahmen des Grundtyps (das sind die Typen von Lebewesen, die in der Schöpfungswoche erschaffen wurden) wird eine Evolution ohne übernatürliche Eingriffe durchaus anerkannt, Entstehung neuer Grundtypen hingegen ist angeblich mit den in diesem Rahmen wirkenden Mechanismen nicht erklärbar. Der Streit dreht sich also letztendlich um die Frage, ob neue Grundtypen ohne Eingriffe eines Schöpfers entstehen können.

Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass es sich hierbei um eine auch in der 'normalen' Evolutionsforschung immer noch nicht endgültig geklärte Frage handelt. Konkret geht es darum, ob die Mechanismen, die eine Anpassung vorhandener Baupläne ermöglichen ('Adaptiogenese') auch die Entstehung solcher Strukturen ('Typogenese') erklären. Diese Frage ist schon aus dem Grund extrem schwer zu klären, weil bereits umstritten ist, was eigentlich unter einer 'neuen Struktur' zu verstehen ist.

Die Bedeutung dieser Dichotomie für die Diskussion ist offensichtlich: es gibt, angesichts des inzwischen bekannten Datenmaterials, auch für die Kreationisten keine Möglichkeit mehr, an einer Evolution zu zweifeln. Das wird von den Mitarbeitern von Wort und Wissen selbstverständlich eingeräumt. Durch den Aufweis von Lücken im bisherigen Kenntnis-Stand soll aber gezeigt werden, dass diese Befunde eben nicht ausreichen, die gesamte Evolution, vor allem die Höherentwicklung, zu erklären. Die Grenze ist allerdings fließend und verschiebt sich im Laufe der Forschung immer weiter. Eine konstruktive Kritik würde darin bestehen, konkret zu zeigen, wie die Phänomene, die durch die Mechanismen der Mikroevolution angeblich nicht erklärbar sind, zustande kommen. Diese Angaben sucht man in den evolutionskritischen Schriften meist vergebens.

Besprechung des Informationsblatts

Hinweis: In den folgenden Kästen wird der komplette Text (mit Ausnahme der Reihenfolge der Bilder, die hier im Gegensatz zum Original-Text am Ende des Textes angeordnet sind) wiedergegeben und mehr oder weniger ausführlich kommentiert. Die Hervorhebungen finden sich im Original.

Die wichtigsten Argumente gegen Makroevolution

In den Schulbüchern und den universitären Lehrbüchern sowie in den Medien wird Makroevolution - von wenigen Ausnahmen abgesehen - als bewiesene Tatsache präsentiert. Zweifellos gibt es zahlreiche Befunde, die unter der Voraussetzung von einer allgemeinen Evolution der Lebewesen interpretiert werden können.

Aus dieser Passage geht hervor, dass sich der Text weniger gegen Evolution als solche, sondern gegen Makroevolution richtet. Explizit wird hierbei eingeräumt, dass 'zahlreiche Befunde' so interpretiert werden können, als habe es eine 'allgemeine Evolution der Lebewesen' (also eine Makroevolution) gegeben. Schon hier wird deutlich, dass sich die Autoren in einer schwierigen Situation befinden: der Tatsachenbefund ist zwar nicht eindeutig, aber immerhin so deutbar, dass gegen die Annahme einer Makroevolution keine stichhaltigen Gründe ins Feld geführt werden können. Beachten Sie bitte, dass der 'gefährlichste' Punkt für die kreationistische Auffassung das Alter der Erde ist. Wie auch immer der Fossilbefund aussehen mag, solange nicht gezeigt werden kann, dass die Erde jung ist, ist der Kurzzeit-Kreationismus nicht haltbar. Und zwar vollkommen unabhängig von der Frage, ob es eine naturalistische Makroevolution gegeben hat oder nicht.

Die sogenannten "Evolutionsbeweise" laufen jedoch meist auf einseitige Deutungen wissenschaftlicher Ergebnisse hinaus, d. h. es wird gewöhnlich gar nicht über Alternativen nachgedacht. Beispielsweise werden die Ähnlichkeit der Lebewesen - z. B. zwischen Menschen und Affen - unkritisch als Indizien für deren gemeinsame Abstammung gewertet. Ähnlichkeiten lassen sich aber ebensogut auf denselben Urheber zurückführen - also durch Schöpfung erklären.

Im folgenden werden in Kurzform einige Argumente dargestellt, die gegen eine allgemeine Evolution "von der Amöbe bis Goethe" (Makroevolution, s. u.) sprechen.

In diesem Abschnitt wird deutlich, dass es keine prinzipiellen Probleme innerhalb der Fachwissenschaft gibt. Die Probleme werden von den Evolutionsgegnern sozusagen von außen an diese herangetragen. Der naturalistisch orientierten Wissenschaft wird vorgeworfen, Alternativen, konkret Schöpfung, nicht zu berücksichtigen. Diese Feststellung ist zwar korrekt, aber der explizite Verzicht auf diese supranaturalistischen Alternative innerhalb der Naturwissenschaften ist wohl begründet. Naturwissenschaft wird methodisch naturalistisch betrieben. Das bedeutet, sie muss nach dem bewährten Motto 'etsi deus non daretur' verfahren, und darf auf gar keinen Fall der Versuchung unterliegen, wenn sie für irgendeinen Sachverhalt keine Lösung hat, den sattsam bekannten Lückenbüßergott einzusetzen. Der Vorwurf läuft daher vollkommen ins Leere. Die naturalistisch orientierte Wissenschaft macht schlicht und ergreifend keine Aussage über die Existenz eines Schöpfers oder dessen mögliche Eingriffe in die Natur, weil sie nur Aussagen über die Bereiche der Natur macht, die ihr im Rahmen ihrer Erkenntnismöglichkeiten zugänglich sind. Das bedeutet selbstverständlich auch, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein wie auch immer gearteter Schöpfer durch Evolution wirkt. Das habe ich an anderer Stelle detaillierter ausgeführt.

Nur nebenbei sei angemerkt, dass dieser Vorwurf zudem noch viel zu unkonkret ist. Die Autoren gehen implizit davon aus, dass unter 'Schöpfer' der Christen-Gott zu verstehen ist. Man könnte aber mit gleichem Recht der Naturwissenschaft vorwerfen, dass sie die Aussagen des Koran oder irgendwelcher Schöpfungsmythen nicht hinreichend würdigte. Die Alternative ist nicht 'Wissenschaft oder kreationistische Auffassung' sondern 'Naturalismus oder Schöpfungsvorstellungen'.

Der entscheidende Begriff in diesem Zusammenhang ist 'Erklärung'. Was ist erklärt, wenn man sagt: 'ein Schöpfer war am Werke'? Die Alternative 'Schöpfung' hätte eine Chance, ernst genommen zu werden, wenn sie Fragen wie 'wann hat wo welcher Schöpfer was gemacht?' beantworten könnte. Die übliche Argumentation basiert auf dem Versuch, durch den Begriff 'Schöpfer' auf die allgemein verbreitete Auffassung eines Gottes, also hier in Mitteleuropa des Christen-Gottes, anzuspielen. Ersetzen Sie interessehalber in einem derartigen Text den Begriff 'Schöpfer' durch 'ein Team aus drei Konstrukteusen, einem humsigen Wabsl und einem fupsigen Schwarln'. Sie werden erkennen, dass sich die Sach-Aussage des Textes nicht im Geringsten geändert hat, obwohl er nun irgendwie nicht mehr so überzeugend wirkt. Weder in dem Informations-Text noch in dem Lehrbuch, auf das im Text verwiesen wird, wird deutlich, wie sich die Autoren eine Schöpfung konkret vorstellen.

Nun könnte man den Mitarbeitern von Wort und Wissen den Vorwurf machen, dass sie als kreationistische Wölfe im evolutionskritischen Schafspelz daher kommen. Ich kenne einige Mitarbeiter von Wort und Wissen persönlich, ich gehe davon aus, dass sie integre Menschen sind, die, zumindest bewusst, keine derartigen Diskussions-Tricks verwenden. Diese Mitarbeiter haben selbstverständlich sehr konkrete Vorstellungen davon, wie die Schöpfung ablief, nämlich so, wie sie eine wortwörtlichen Interpretation der Bibel nahe legt. Auf der HomePage von Wort und Wissen finden Sie sehr detaillierte Darstellungen dieser Auffassungen. Diese Vorstellungen sind aber weder mit den Ergebnissen der Naturwissenschaften noch gar mit deren Methodik (die die Autoren des Buchs anerkennen) vereinbar. Der Vorwurf könnte daher lediglich dahin gehen, die Forderungen, die an die Naturwissenschaften gestellt werden, auch auf die eigene Position anzuwenden, die allerdings in den eher evolutionskritischen Schriften gar nicht explizit erwähnt wird.

Solange keine konkreten Auffassungen vertreten werden, welche auf der einen Seite die Sachverhalte erklären, welche die naturalistische Wissenschaft erklären kann, und darüber hinaus noch fruchtbare Ansätze ermöglicht, sondern lediglich Kritik dargestellt wird, ist es nicht weiter verwunderlich, dass kaum ein Wissenschaftler die Zeit investiert, sich mit den Argumenten des Buchs auseinander zu setzen. Es ist unumstritten, dass viele Detailfragen (noch?) nicht geklärt sind. Evolution als historische Tatsache fügt sich aber derart harmonisch in das Gesamtbild der Naturwissenschaften ein, dass es keinen Grund gibt, an einer Evolution zu zweifeln. Diese Überlegungen habe ich an anderer Stelle ausführlicher dargestellt.

[ Übersicht ]

1. Die Entstehung des Lebens ist nicht direkt erforschbar

Die Entstehung und Geschichte des Lebens kann nicht durch Beobachtung und Experiment erforscht werden. Niemand war dabei, als das Leben entstand oder als der Mensch zum ersten Mal auftrat, gleichgültig wie die Entstehung abgelaufen ist. Die Geschichte des Lebens kann nicht "nachgemacht" werden; sie ist einmalige Vergangenheit. Daher kann ein naturwissenschaftlicher Beweis dafür, daß es eine Makroevolution gab, prinzipiell nicht erbracht werden. Aus demselben Grund ist auch Schöpfung nicht naturwissenschaftlich beweisbar oder widerlegbar.

Diese Passage ist wissenschafts- und erkenntnistheoretisch äußerst fraglich. Wenn man diese Argumentation näher analysiert, wird deutlich, dass es eine 'Geschichtswissenschaft' nicht geben kann, falls sie zuträfe. Selbstverständlich war beispielsweise bei der Gründung der Stadt Rom 'jemand dabei', aber diese Menschen leben nicht mehr. Man hat lediglich Urkunden oder sonstige Überlieferungen. Daher kann man nach dieser Argumentation nicht widerlegen, dass kleine grüne Männchen aus dem All Rom gegründet haben. Diese Theorie wäre nach dem, was die Autoren geschrieben haben, daher wissenschaftlich weder zu beweisen noch widerlegbar.

Eine bestimmte Vorgehensweise der Naturwissenschaften, das reproduzierbare Experiment, ist selbstverständlich nicht auf einmalige historische Prozesse anwendbar. Aber die Ergebnisse der Naturwissenschaften bilden sozusagen einen Rahmen, innerhalb dessen sich Theorien über historische Ereignisse bewegen müssen, wenn sie ernst genommen werden sollen. Zumindest ist jeder, der derartige Phänomene einfordert, begründungspflichtig.

Interessant ist in diesem Kontext die Aussage 'niemand war dabei'. Man findet sie öfters in kreationistischen Schriften in derartigen Zusammenhängen. Hiermit soll insinuiert werden, dass 'direkter Augenschein' durch Menschen, selbst wenn er nur in Form von Urkunden vorliegt, mehr gilt als 'Urkunden', die nicht von Menschen stammen. Fossilien sind beispielsweise genauso Urkunden wie Texte, die Menschen verfasst haben. Streng genommen sogar noch wesentlich zuverlässigere, weil sie leichter interpretierbar sind, da ein Fälschungsverdacht auszuschließen ist. Ich vermute, dass damit erreicht werden soll, dass auf der einen Seite die historischen Tatsachen, die auch den Kreationisten wichtig sind (beispielsweise die Historizität Jesu) aufrecht erhalten werden können, ohne zugeben zu müssen, dass auch beispielsweise Fossilien oder auch Radio-Isotopen in Gesteinen 'Urkunden' sind. Prinzipiell besteht aber kein Unterschied zwischen einem Artefakt und einem Fossil: beides sind Zeugen der Vergangenheit.

2. Die Entstehung des Lebens ist ungeklärt

Die Entstehung von Leben aus leblosen Stoffen (z. B. in hypothetischen Ursuppen auf einer gedachten frühen Erde) ist ungeklärt. Es ist zwar gelungen, in unterschiedlichsten Versuchsansätzen einen Teil der einfachsten Bausteine lebenswichtiger Moleküle herzustellen, z. B. einige Aminosäuren als Bausteine der Proteine (Eiweiße) im sog. "Miller-Versuch". Bei diesen Versuchsansätzen entstehen aber immer zahlreiche andere chemische Verbindungen, die weitere Schritte hin zu lebenswichtigen Stoffen verhindern. Daher ist es nicht gelungen, unter Ursuppenbedingungen Proteine, Nukleinsäuren (Erbsubstanz) oder Zellmembranen zu synthetisieren. Selbst wenn dies gelungen wäre (wovon man weit entfernt ist), wären diese Produkte noch kein Leben. Dazu müßten sie in höchst komplizierte Wechselwirkungen zueinander gebracht werden. Wie das ohne Zielvorgabe und Steuerung abgelaufen sein könnte, ist unbekannt. Auch in jüngster Zeit formulierte alternative Modelle hinterlassen viele ungelöste Detailprobleme. Schließlich müßte auf dem Weg zum Leben neben vielen anderen Voraussetzungen auch der genetische Code entstehen. Wieder ist unbekannt, wie ein Code, also eine Zuordnungsvorschrift für die Übersetzung der DNS-Abfolge in Proteine, von alleine entstanden sein könnte.

In diesem Abschnitt wird für Evolutionskritiker typisch argumentiert: es wird zutreffend darauf hingewiesen, dass bestimmte Einzelfragen nicht geklärt sind. Man kann derartige Thesen aber bestenfalls als Denkanstöße bzw. Forschungsanregungen an die Naturwissenschaft werten, aber solange keine konkret ausgearbeitete Alternative vorgestellt wird, sind sie nicht mehr als das.

Um einem derartigen Einwand Stichhaltigkeit zu verleihen, sehe ich nur zwei Alternativen. Entweder müsst man zeigen, dass die Schwierigkeiten prinzipieller Natur sind. Also beispielsweise beweisen, dass es unmöglich ist, dass unter Ursuppenbedingungen Bio-Moleküle entstehen. Dazu müsste man zudem den Chemismus der Protobionten und die damaligen Umweltbedingungen kennen und dann zeigen, dass die benötigten Chemikalien so nicht entstanden sein können. Dabei ist zu beachten, dass es nicht darum geht, die Chemikalien zu erzeugen, die heutige Lebewesen verwenden, denn es könnte ja der Fall sein, dass diese eben nicht unter Ursuppenbedingungen, sondern von Protobionten erstmalig hergestellt wurden und sich dann mit diesen verbreiteten. Solange die Möglichkeit einer abiotischen Entstehung der Moleküle für Protobionten nicht prinzipiell ausgeschlossen werden kann, läuft dieser Einwand ins Leere. Die bisherigen Befunde sprechen eher dafür, dass sogar erstaunlich komplexe Moleküle, wie sie auch in heutigen Lebewesen vorkommen, abiotisch entstehen können. Letztendlich läuft die Argumentation auf den Versuch hinaus, eine Evolution als Tatsache (die ja durch den Fossilbefund eindeutig belegt ist) durch Widerlegungen von Auffassungen über Mechanismen zu widerlegen. Das geht prinzipiell nicht, wie ich an anderer Stelle ausführlicher gezeigt habe. Mich wundert, dass das von Kreationisten immer noch nicht eingesehen wird.

Außerdem ist anzumerken, dass heute gar nicht bewiesen werden kann, wie damals die ersten Lebewesen entstanden. Selbst wenn Simulations-Experimente durchführbar wären, bei denen 'Lebewesen' entstünden, könnte man daraus nicht ableiten, dass damals eben diese Wesen entstanden sind. Selbstverständlich könnte es zudem der Fall sein, dass damals ein Schöpfer am Werke war, obwohl die Wesen auch ohne sein Zutun entstehen könnten.

Alternativ könnte eine ausformulierte Alternative 'Schöpfung' vorgestellt werden. Gezeigt werden müsste in diesem Fall, wann wo welcher Gott wie was gemacht hat. Diese ausformulierte prüfbare Alternative könnte man dann mit der naturalistischen messen. Eine derartige prüfbare Alternative sehe ich derzeit nicht.

[ Übersicht ]

3. Die Entstehung neuer Konstruktionen ist ungeklärt

Die bekannten Evolutionsmechanismen Mutation (sprunghafte Änderungen des Ergbuts [sic]), Selektion (Auslese) und andere Faktoren reichen nicht aus, um die Entstehung neuer Konstruktionen (= Makroevolution; Abb. 1, links) zu erklären. Lebende Konstruktionen wie z. B. Organe oder sonstige komplizierte Strukturen (z. B. Federn) funktionieren nur, wenn viele Bauteile gleichzeitig intakt sind und darüber hinaus die zeitliche Abfolge ihres Zusammenbaus stimmt. Es ist ungeklärt, wie die bekannten kleinschrittigen Veränderungen die notwendige gleichzeitige Entstehung der erforderlichen Bauteile ermöglichen könnten. Damit ist die zentrale Frage der Ursachenforschung für evolutionäre Veränderungen unbeantwortet.

Den Autoren ist zuzustimmen, dass hinsichtlich der Frage, wie neue Konstruktionen entstehen, (noch?) viele Details zu klären sind. Die Alternative ist nun, ob man diese Spannung aushalten kann oder einen Schöpfer postuliert. Auf jeden Fall ist nichts erklärt, wenn man 'wir wissen es noch nicht' durch 'ein Schöpfer hat das gemacht' ersetzt. Außerdem hemmt das die weitere Forschung: es gibt dann einfach nichts mehr zu erklären. Es gab Zeiten, in denen man Fragen bezüglich der Natur nicht durch Beobachtungen, sondern durch Analyse der Werke klassischer Philosophen zu klären pflegte.

Umgekehrt können komplexe Konstruktionen als "Design-Signale" interpretiert werden, d. h. als deutliche Hinweise auf einen Urheber.

Die Frage ist nur, ob das Sinn macht. Durch geduldige naturalistische Forschung werden immer mehr offene Fragen geklärt. Viele komplexe Prozesse, die früher nicht erklärt werden konnten, sind heute in jedem Schulbuch nachzulesen. Welchen Anstoß für konkrete Forschungen die Suche nach Design-Signalen bieten sollte, lassen die Autoren offen. Dazu müsste erst exakt definiert werden, was ein 'Design-Signal' ist, und, genauer, welcher Designer diese Signale sendet. ReMine hat in seinem Buch 'The Biotic Message' diese Theorie etwas ausführlicher dargestellt, aber selbst die Mitarbeiter von Wort und Wissen geben zu, dass diesem Ansatz sehr wesentliche Details fehlen, die ihn zu einer ernst zu nehmenden Alternative zum naturalistischen Ansatz machten. Letztendlich laufen alle diese Versuche darauf hinaus, aus Unwissen auf einen Schöpfer zu schließen, allerdings in einer etwas elaborierten Form: bekannte Phänomene werden so interpretiert, dass sie Hinweise auf einen (welche?) Schöpfer darstellten

Zwar sind zahlreiche Mechanismen bekannt, die zu Veränderungen der Lebewesen führen, doch ermöglichen sie nur Variationen und Spezialisierungen (= Mikroevolution; Abb. 1, rechts) bereits vorhandener Konstruktionen innerhalb von Grundtypen. Grundtypen sind die Schöpfungseinheiten des Lebens ("geschaffene Arten"). Beispiele sind die Familie der Hundeartigen (vgl. Abb. 1, rechts) oder die Familie der Pferdeartigen mit Pferden, Eseln und Zebras. Abb. 2 zeigt als weiteres Beispiel die Entenartigen. Die Variationsfähigkeit der Lebewesen macht man sich in der Züchtungsforschung zunutze. Zwischen Mikroevolution und Makroevolution bestehen grundlegende qualitative Unterschiede.

Genau diese Frage, nämlich welcher Status dem Begriffspaar 'Mikroevolution vs. Makroevolution' zukommt, ist in der Evolutionslehre sehr umstritten. Da ich mich gerade sehr ausführlich mit dieser Thematik beschäftige, habe ich eine Übersicht über die Verwendung dieses Begriffspaars zusammengestellt, die das schillernde Spektrum dessen, was unter dem Begriff 'Makroevolution' verstanden wird, belegt. Wissenschaftshistorisch gesehen entspricht die im obigen Text vertretene Auffassung dem Stand der Wissenschaft vor der evolutionären Synthese, die in etwa 1947 abgeschlossen war. Heutzutage wird das Begriffspaar eher als praktisches Ordnungsschema mit fließenden Grenzen verwendet, in etwa wie 'organische und anorganische Chemie'. Die Auffassung, dass für die Synthese organischer Substanzen eine 'Lebenskraft' erforderlich sei, wurde schon vor langer Zeit aufgegeben. Dennoch findet man auch heute noch diese Trennung, weil sie sich einfach als zweckmäßig erwiesen hat.

Ich werte diese Dichotomie als den Versuch, den Bereich der Evolutionslehre, der so gut belegt ist, dass man ihn nicht mehr leugnen kann, anerkennen zu können, ohne dadurch einen Schöpfer überflüssig zu machen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Forscher, die explizit davon ausgingen, dass die Mechanismen der Mikroevolution nicht erklären könnten, wie Makroevolution verläuft, genauso explizit einen Schöpfer ablehnten. Auch wenn man für die Entstehung von grundsätzlich Neuem in der Evolution zusätzliche Evolutionsfaktoren einfordert, bedeutet das noch lange nicht, dass das ein Schöpfer oder gar der Christen-Gott sein müsste. Für die Mitarbeiter von Wort und Wissen wäre zudem ein deistischer Designer, der problemlos alle Design-Signale incl. der Makroevolution erklären könnte, genauso inakzeptabel wie der naturalistische Standpunkt. Den wirklich entscheidenden Punkt, nämlich den Aufweis des Zutreffens ihrer 'eigentlichen' Auffassungen (junge Erde, weltweite Sintflut und Schöpfungswoche), können sie weder durch Aufzeigen von Lücken in der Auffassung der Naturalisten noch durch Aufzeigen von allgemeinen Design-Signalen erreichen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Die üblichen Lehrbuchbeispiele für das beobachtbare Wirken von Evolutionsprozessen (durch Mutation, Selektion usw.) sind ausschließlich Beispiele für Mikroevolution (z. B. Darwinfinken, dunkle Form des Birkenspanners, Giftresistenzen, Züchtung usw.)

Dieser Aussage kann man ohne weiteres zustimmen. Die Frage ist nur, was daraus folgt. Man kann dies als Aufforderung an die Naturwissenschaftler verstehen, Antworten auf diese Fragen zu suchen. Das ist durchaus legitim und bringt die Forschung weiter. Eine Stütze für die Existenz eines Schöpfers oder gar des Christen-Gottes sehe ich darin nicht.

[ Übersicht ]

4. Das systematische Fehlen von Übergangsformen in der Paläontologie

Nachdem inzwischen ca. 250.000 Arten fossil (als Versteinerungen, Abdrücke usw.) bekannt sind, besteht wie schon zu Darwins Zeit das Problem fehlender passender Bindeglieder. Größere Gruppen von Lebewesen kommen von Beginn ihres Auftretens in der Erdgeschichte plötzlich in zahlreichen unterschiedlichsten Formen vor, die nur ausnahmsweise durch einigermaßen passende Übergänge überbrückt sind. Zwischen den größeren Gruppen von Lebewesen fehlen also regelmäßig evolutionäre Übergangsformen, sowohl in der heutigen Welt als auch unter den fossil erhaltenen Organismen. Das gilt bis hinunter zur Grundtyp-Ebene. Die Stammbäume sehen daher nicht baumartig, sondern ausgeprägt strauchartig aus (Abb. 3); dabei fehlen die unteren Zweige und Äste (an denen sich die Gabelungen befinden müßten). Einzelne umstrittene Zwischenformen wie der "Urvogel" Archaeopteryx belegen ebenfalls keine graduelle Höherentwicklung und können alternativ auch als eigenständige Grundtypen interpretiert werden.

Das Problem des 'Abreißens der Formenketten', wie der geschilderte Sachverhalt in der Paläontologie genannt wurde, ist wohlbekannt. Die Frage ist allerdings, ob das gegen eine naturalistische Evolution spricht. Umstritten ist allerdings schon die Frage, ob diese Beobachtung tatsächlich gesichert ist. Schon Darwin hatte vermutet, dass der Fossilbefund so lückenhaft ist, dass man kaum gesicherte Aussagen darüber machen kann, ob es die geforderten Wesen nie gab oder ob man sie nur nicht gefunden hat. Es gibt darüber hinaus nicht-gradualistische naturalistische Auffassungen von Evolution, die davon ausgehen, dass es diese Zwischenformen gar nicht gab (saltationistische Auffassen, beispielsweise Schindewolf oder Goldschmidt oder neuere systemtheoretische Auffassungen) oder dass sie so selten waren, dass man sie üblicherweise nicht findet (Durchbrochene Gleichgewichte, Gould und Eldredge; peripatrische oder allopatrische Speziation, Mayr).

Zusätzlich sollte man bedenken, dass dieser Befund (die Zwischenformen fehlen) nur für gradualistische Evolutionstheorien ein ernstes Problem darstellt. Man könnte nun sagen, dass an der Basis jeder dieser Formen (Grundtypen) ein Schöpfungsakt erfolgte. Diese Auffassung ist durchaus vertretbar, sprengt aber den Rahmen der Naturwissenschaft. Nun muss man aber bedenken, dass die biblisch orientierte Schöpfungslehre von einer einzigen Schöpfungswoche ausgeht. Daher sind diese Stammbüsche für diese Auffassung ebenso vernichtend: die Grundtypen entstanden, wie der Fossilbefund eindeutig zeigt, zu verschiedenen Zeitpunkten der Erdgeschichte.

Beim Thema "Fossilien" muß darauf hingewiesen werden, daß die Grobreihenfolge der Fossilablagerungen den Erwartungen des Evolutionsmodells entspricht und daß dafür im Rahmen der Schöpfungslehre derzeit keine befriedigenden Erklärungen vorliegen.

Das ist noch sehr dezent ausgedrückt. Der Fossilbefund widerlegt zwar nicht Schöpfungsvorstellungen (das geht streng genommen gar nicht, denn niemand kann ausschließen, dass Wunder geschehen, einige Forscher vertreten auch die Auffassung, dass Evolution Gottes Methode der Schöpfung sei), wohl aber bestimmte Schöpfungsvorstellungen, und darunter genau die, die von Wort und Wissen vertreten wird. Der Fossilbefund zeigt eindeutig, dass bestimmte Lebewesen zeitlich nacheinander auftreten. Das ist mit einer Schöpfungswoche, in der alle Grundtypen geschaffen wurden, nicht vereinbar. Zumindest nicht, solange nicht gezeigt werden kann, dass alle Gesteinsschichten in der Schöpfungswoche abgelagert wurden. Das Aufzeigen von Abreißen der Formenketten anhand von Stammbäumen, die den Fossilbefund darstellen, ist daher kein Argument gegen Makroevolution, sondern bestenfalls gegen bestimmte Vorstellungen von Deszendenz. Solange nicht gezeigt werden kann, dass alle Grundtypen gleichzeitig erschaffen wurden, stellen sie aber auf jeden Fall eine Widerlegung der Auffassung einer Schöpfungswoche dar. Wenn die Mitarbeiter diese Stammbüsche auf ihre eigenen Auffassungen anwenden, haben sie sich auch selber widerlegt.

Im Schulunterricht, in den Museen usw. wird in der Regel nur auf diesen Aspekt hingewiesen, wodurch allerdings ein ganz verzerrtes Bild entsteht.

Wie oben schon kurz dargestellt trifft dieser Vorwurf nicht. Es macht keinen Sinn, immer und überall darauf hinzuweisen, dass unser Wissen nur zeitkernig gültig ist. Was zählt ist der jeweils aktuelle Stand der Erkenntnis. Und der besteht derzeit darin, dass der Fossilbefund unzweideutig eine historische Evolution über lange Zeiträume beweist. Alle anderen Darstellungen sind so lange nicht angebracht, wie sie nur vage im Nebel stochern. Die Vorstellung einer Schöpfungswoche, einer jungen Erde oder einer weltweiten Sintflut sind nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnis in den Naturwissenschaften eindeutig widerlegt. Bevor man auch nur den Anspruch erheben sollte, dass man diese Auffassungen ernst nimmt, sollte man in der Lage sein, eine ausformulierte prüfbare Darstellung vorweisen zu können. Das, was bisher prüfbar ausformuliert wurde, ist widerlegt.

Ob man das Grundtypen-Modell, den einzigen etwas detaillierter ausgearbeiteten Bereich der Schöpfungsvorstellung der Menschen bei Wort und Wissen als Alternative zur naturalistischen Wissenschaft werten sollte ist fraglich. Es mag durchaus Grundtypen geben, aber angesichts des Fossilbefunds taugen sie einfach nicht dazu, die Position der Forscher von Wort und Wissen zu stützen. Denn die Grundtypen müssten ab der ersten fossilführenden Schicht vorhanden sein. Und das ist eindeutig nicht der Fall. So bleibt dieses Modell ein interessanter Ansatz, der zwischen Art und Familie eine weitere Kategorie einzuführen versucht. Diese Auffassung ist im Rahmen der naturalistischen Forschung problemlos vertretbar und wurde lange Zeit in Form von typologischem Denken von naturalistisch arbeitenden Forschern vertreten. Was dieser Gedankengang aber für die kreationistische Auffassung bringen sollte, ist mir schleierhaft. Böse Zungen behaupten, diese Auffassung diene nur dazu, Platz auf der Arche zu schaffen, denn nun muss nur noch je ein Vertreter jedes Grundtyps mitgenommen werden.

[ Übersicht ]

5. Baukastensystem

Viele Merkmale der Lebewesen sind so unsystematisch verteilt, daß es schwierig ist, Stammbäume zu rekonstruieren und dies meist nicht in eindeutiger Weise möglich ist. Häufig erscheinen die Merkmale wie nach einem Baukastensystem in verschiedenen Grundtyen [sic] zusammengesetzt (Beispiel: Abb. 4). Dies zeigt sich auch zunehmend in der Organisation des Erbguts der Lebewesen. Ein Baukastensystem ist im Rahmen eines Schöpfungsmodells leicht interpretierbar, da ein Schöpfer frei ist, Merkmale beliebig zu kombinieren.

Dazu sollte man anmerken, dass in der Natur gerade das Gegenteil zu beobachten ist: der Schöpfer hatte offenbar sehr wenig Phantasie. Es gibt eine unübersehbare Fülle von Möglichkeiten, die nicht verwirklicht wurden. Ich denke hier beispielsweise an Vögel mit zusätzlichen Händen zu den Flügeln, oder Insekten mit 4 Beinen und so weiter. Im Evolutionsmodell ist das leicht zu erklären: Variation ist nur innerhalb der Möglichkeiten des jeweiligen Bauplans, der historisch entstanden ist, möglich. Das Schöpfungsmodell bietet keine Erklärung. Welche Bauteile der Schöpfer denn nun kombiniert hat und welche nicht, lässt sich nicht sagen.

Der wichtigste Einwand gegen diese Auffassung ist aber, welchen explanatorischen Nutzen sie haben könnte. Sie erklärt letzten Endes überhaupt nichts: egal, was auch immer man in der Natur findet, ist eben ein Produkt der Phantasie des Schöpfers. Sollte man in einem konkreten Fall zeigen können, wie sich ein Merkmal durch kleinschrittige Vorgänge entwickelt haben könnte, ist das einfach so. Der Schöpfer hat in diesem Fall eben kleinschrittig geschaffen. Diese Auffassung ist daher rein apologetisch: ein Versuch, die Vorstellung eines Schöpfers trotz des Vorhandenseins der vielen enkaptischen Merkmalskombinationen aufrecht zu erhalten.

[ Übersicht ]

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Autoren von Wort und Wissen ihr Ziel nicht erreichen können. Sie bleiben auf der Ebene der Kritik stehen. Sie versuchen, derzeitige Lücken in der Erkenntnis als Argument für einen Schöpfer umzudeuten. Das wäre dann bestenfalls der sattsam bekannte Lückenbüßergott. Selbst wenn gezeigt werden könnte, dass die Entstehung der Lebewesen prinzipiell nicht naturalistisch erklärbar ist (und es gibt keinen Grund für diese Vorstellung), würde das für die Position der Forscher bei Wort und Wissen noch gar nichts bedeuten.

Einen Beleg für den Typ Schöpfer, an den sie als evangelikale biblizistisch orientierte Christen eigentlich glauben, nämlich den, der das Universum und die Erde vor 6000 Jahren durch eine 'Es werde ...'-Schöpfung ins Leben rief, alle Grundtypen in einer Schöpfungswoche aus 6 Tagen zu je 24 Stunden hervorbrachte und den größten Teil seiner Schöpfung in einer weltweiten Flut in historischer Zeit wieder vernichtete, stellen die Autoren von Wort und Wissen in ihren eher wissenschaftlich gehaltenen Arbeiten nirgends vor. Das größte Paradox dieser Auffassung ist in meinen Augen, dass diese Autoren (durchweg promovierte (Natur)Wissenschaftler) auf der einen Seite die Methodik der naturwissenschaftlichen Arbeitsweise durchaus anerkennen und sie zudem dazu einsetzen, Kritik an Arbeiten von Evolutionsforschern zu üben. Auf der anderen Seite sehen sie nicht, dass sie durch die Anerkennung der Methodik auch deren Ergebnisse anerkennen müssen, und diese widerlegen eindeutig ihren eigenen Standpunkt.

Das Buch hat daher durchaus seine Berechtigung als Stachel im Fleisch der selbstzufriedenen Evolutionsforscher: viele der dort vorgebrachten Einwände sind durchaus ernst zu nehmen und zeigen Forschungsbedarf an. Auf der anderen Seite ist das Buch für die Position der Forscher bei Wort und Wissen nutzlos: durch die Ergebnisse der dort verwendeten Methoden werden die eigenen Standpunkte noch stärker betroffen als die der Evolutionisten.

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Abbildungen

Hinweis: Die Legenden stehen im Info-Text. Die Abbildungen stammen hingegen aus dem Evolutionsbuch und sind im Info-Text nur in Schwarz-Weiß wiedergegeben. Mit freundlicher Genehmigung von Wort und Wissen habe ich die farbigen Bilder aus dem Evolutionsbuch gescannt und hier wiedergegeben. Unter der Legende ist jeweils angegeben, welche Abbildung des Evolutionsbuchs verwendet wurde. Die Legenden im Evolutionsbuch unterscheiden sich von denen des Info-Textes. Diese Unterschiede sind für die obigen Überlegungen aber ohne Belang, daher wurden sie hier nicht wiedergegeben.

 

Legende Abbildung 1
(Abb. 4.8 im Evolutionsbuch):

Makro- und Mikroevolution sind grundverschiedene Konzepte. Mikroevolution (rechts) ist Variation vorhandener Konstruktionen (innerhalb von Grundtypen), Makroevolution (links) ist die Entstehung neuer Konstruktionen.

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Legende Abbildung 2:
(Abb. 3.26 im Evolutionsbuch)

Die Entenartigen als Beispiel für einen Grundtyp. Zu einem Grundtyp gehören alle Arten, die direkt oder indirekt (über eine dritte) Art kreuzbar sind (also Mischlinge bilden können).

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Legende Abbildung 3:
(Abb. 17.9 im Evolutionsbuch)

"Stammbusch" statt Stammbaum am Beispiel der Paarhufer. Die unteren Enden (Bereich der evolutionär zu erwartenden Bindeglieder) fehlen.

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Legende Abbildung. 4:
(Abb. 13.52 im Evolutionsbuch)

Paßt nicht gut in einen Stammbaum: Das Schnabeltier vereinigt in sich Säugermerkmale (Milchdrüsen, Haare), Reptilienmerkmale (legt Eier) und ein vogelähnliches Merkmal (Hornschnabel). Als Spezialität besitzt es als wasserlebendes Tier außerdem einen Ruderschwanz und Schwimmhäute.

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Danksagung

Ich danke Herrn Mahner für die kritische Durchsicht dieses Artikels und seine hilfreichen Anmerkungen. Für den Inhalt bin ausschließlich ich verantwortlich.

 

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E-Mail an Thomas Waschke an Thomas Waschke Stand: 20. Dezember 2001