Warum ich an eine Evolution der Lebewesen glaube

In einem Gedankensplitter über den Begriff Evolution habe ich meine Auffassung bezüglich einer Evolution der Lebewesen einigermaßen ausführlich dargestellt. Dort bin ich vor allem näher auf die Mehrdeutigkeit des Begriffs 'Evolution' eingegangen. Hier geht es mir mehr um eine Darstellung meiner weltanschaulichen Position. Diese baut auf den in dem genannten Artikel näher definierten drei Bedeutungen von 'Evolution' auf.

Ich werde zunächst kurz die mir am wichtigsten erscheinenden konkurrierenden nicht-evolutionistischen Erklärungsansätze darstellen und dann ausführlicher begründen, warum ich an eine Evolution der Lebewesen glaube. Dabei gehe ich auch auf Alternativen ein und begründe, warum ich diese nicht für tragfähig halte.

Da ich in Mitteleuropa sozialisiert wurde und mich nicht besonders für nicht-christliche Religionen interessiere, beschränke ich mich, mangels Kenntnis, auf die Positionen der christlich orientierten Religionen bzw. der westlichen Philosophie bezüglich der Entstehung und Entwicklung des Lebens auf der Erde.

Neben den unten behandelten Ansätzen gibt es natürlich noch eine unübersehbare Fülle von Positionen, die oft nur von einem einzigen Menschen vertreten werden. Erklärungen für die Evolution hier auf der Erde werden beispielsweise durch das Wirken von Außerirdischen versucht. Derartige Ansätze verschieben das Problem lediglich. Irgendwoher müssen diese Außerirdischen auch gekommen sein, und wie die dort entstanden sind, dürfte sich vermutlich von der Entstehung des Lebens auf unserer Erde nicht grundlegend unterschieden haben. Die meisten dieser Ansätze sind daher zurecht nur in Insider-Kreisen bekannt. Ich spare mir die Mühe, gesondert auf diese einzugehen. Eine (umfangreiche, aber keineswegs komplette) Darstellung derartiger Positionen finden Sie in einem Artikel, den ich übersetzt habe. Wie man meiner Meinnung nach mit Kreationisten sinnvoll diskutieren kann habe ich an anderer Stelle ausführlicher beschrieben.

Selbstverständlich bin ich an Ihrer Meinung über meinen Standpunkt interessiert. Wenn Sie Anmerkungen haben oder mit mir diskutieren möchten, würde ich mich über eine E-Mail oder einen Eintrag in mein Gästebuch freuen. Selbstverständlich können Sie Ihren Beitrag auch ins Forum stellen.

 

E-Mail an Thomas Waschke an Thomas Waschke Stand: 17. November 2001


Übersicht

Welche Alternativen gibt es?

Es ist nicht mein Ziel, hier eine erschöpfende Darstellung aller Denkrichtungen zu geben, die sich mit der Entstehung und Entwicklung des Lebens auf der Erde beschäftigen. Für die Diskussion, die ich als Titel meiner HomePage gewählt habe ('Evolution oder Schöpfung') spielen hier in Mitteleuropa vor allem die folgenden Gruppen eine wichtige Rolle:

Diese Positionen sollen im folgenden kurz dargestellt werden. Eine Darstellung einer ganzen Reihe weiterer Positionen finden Sie in einem anderen Artikel, den ich für Sie übertragen habe.

Kurzzeitkreationismus (biblisch orientiert)

Diese Variante des Schöpfungsglaubens ist besonders in evangelikalen Kreisen in Europa und Amerika weit verbreitet. Die Anhänger dieser Vorstellung gehen von einem wortwörtlichen Verständnis der Bibel aus. Zur Veranschaulichung sei hier ein Text zitiert, den Wissenschaftler billigend unterschreiben müssen, wenn sie in die Creation Research Society aufgenommen werden wollen:

  1. Die Bibel ist das geschriebene Wort Gottes. Da wir an dieses als erleuchtete Offenbarung glauben, sind alle ihre Behauptungen historisch und wissenschaftlich wahr in allen ihren originalen Ausfertigungen. Für den Studenten der Natur bedeutet das, daß der Bericht der Ursprünge in der Genesis eine faktische Darstellung von schlichten historischen Wahrheiten ist.

  2. Sämtliche Gruppen von Lebewesen, den Menschen eingeschlossen, wurden durch die schöpferischen Akte Gottes direkt in der Schöpfungswoche, wie in der Genesis beschrieben, geschaffen. Welche biologischen Veränderungen auch immer innerhalb der Schöpfung geschehen sein mögen, so fanden diese immer nur als Veränderungen innerhalb der ursprünglich geschaffenen Arten statt.

  3. Die in der Genesis beschriebene große Flut, allgemein als Sintflut bekannt, war ein historisches Ereignis von weltweiter Ausdehnung und Wirkung. 

Schließlich bleibt festzustellen, daß wir eine Organisation christlicher Menschen der Wissenschaft sind, die Jesus Christus als ihren Herrn und Retter akzeptieren. Die Behauptung der speziellen Schöpfung von Adam und Eva als Mann und Frau und von ihrem folgenden Sündenfall stellt die Basis für unseren Glauben an die Notwendigkeit eines Retters der Menschheit dar. Deshalb kann die Rettung allein durch das Annehmen Jesu Christi als unseren Erlöser erfolgen.
 

(Zitiert nach dem Urteil des United District Court, Eastern District of Arkansas, Western Division; Richter William R. Overton, 5. Januar 1982, aus Jeßberger 'Kreationismus', S. 28; Original beispielsweise in Overton, W. R. (1982) 'Creationism in Schools: The Decision in McLean versus the Arkansas Board of Education' Science 215:934-942)

Aus dem Text geht eindeutig hervor, dass von dieser Gruppe von Wissenschaftlern der Offenbarung der Bibel eindeutiger Primat vor allen anderen Erkenntnismöglichkeiten eingeräumt wird. Beachten Sie bitte, dass diese Position eindeutig eine wissenschaftliche ist: sie macht falsifizierbare Aussagen (beispielsweise über die Sintflut).

Aus dem Text geht nicht auf den ersten Blick hervor, dass diese Wissenschaftler von einer jungen Erde ausgehen. Sie legen aber 'faktische Darstellung von schlichten historischen Wahrheiten' so aus, dass, wenn in der Genesis 'ein Tag' steht, 24 Stunden gemeint sind.

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Langzeitkreationismus (theistische Evolution)

Unter diesem Begriff habe ich eine sehr heterogene Gruppe von Positionen zusammengefasst. Diesen Autoren ist gemein, dass sie davon ausgehen, dass ein Gott (es muss sich hierbei nicht um den Gott der Christen handeln) auf irgendeine Art und Weise in die Evolution eingreift oder zumindest den Rahmen für diese bereitstellt. Als Beispiel soll hier die Position des derzeitigen Papstes der katholischen Kirche erwähnt werden. Danach entstand zwar die Formenfülle des Lebens durch eine Evolution, wie sie die Wissenschaft erforscht, Gott griff aber bei der Entstehung des Menschen, zumindest bei dessen Beseelung, ein. Andere Vertreter gehen sogar so weit, dass dieser Gott lediglich die Naturgesetze geschaffen hat, nach denen dann die Evolution ablief ('Evolution ist Gottes Methode der Schöpfung').

Für diese Position ist charakteristisch, dass versucht wird, Naturwissenschaft und Glauben zu versöhnen. Dazu wird versucht, zeitbedingte biblische Vorstellungen zu relativieren, um dadurch 'Raum' für die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zu gewinnen. Entscheidend für diese Position ist, dass ein Gott die Evolution lenkt, das Wie spielt eine geringere Rolle. Für diese Position spielt es keine Rolle, wie alt die Erde ist oder aus welchen Lebewesen der Menschen entstanden ist. Einen dieser Versuche, die Bibel mit den Ergebnissen der modernen Evolutionsforschung zu versöhnen, finden Sie in einem Buch mit dem bezeichnenden Titel: 'Schöpfung ist Evolution'.

Nur am Rande sei vermerkt, dass die Kurzzeit-Kreationisten biblischer Prägung eine theistische Evolution schärfer bekämpfen als eine naturalistische. Eine sehr sorgfältige Kritik von Vorstellungen einer theistischen Evolution aus theologischer Sicht vom Standpunkt des Kurzzeit-Kreationismus aus finden Sie beispielsweise in Reinhard Junkers Buch 'Leben durch Sterben'.

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Naturalistische Evolution

Darunter verstehe ich die in den Naturwissenschaften übliche Vorstellung, dass die Evolution der Lebewesen rein immanent, das heißt, ohne Annahme irgendwelcher 'höherer' Prinzipien rein materialistisch (naturalistisch) erklärt werden kann. Streng genommen ist diese Haltung lediglich eine methodische (wir erforschen die Natur sinnvollerweise nach dem bewährten Prinzip 'etsi deus non daretur'), bestenfalls eine epistemologische (wir müssen die Natur genau auf diese Art und Weise erforschen, weil das die einzige Möglichkeit für uns Menschen ist, zu einigermaßen sicheren Ergebnissen zu gelangen). Eine ontologische Aussage (es gibt nur die immanenten Mechanismen, keinen irgendwie gearteten Schöpfer) soll damit nicht gemacht werden.

Auf der Grundlage dieser Methodik werden immaterielle Wesenheiten nicht deshalb ausgeschlossen, weil man sie widerlegen kann, sondern nur, weil sie nichts erklären. Selbstverständlich kann man angesichts der Komplexität der Natur staunend sagen: 'Das kann nur ein Gott gemacht haben!' Wenn man dasselbe Phänomen ein paar Jahre später untersucht, merkt man vielleicht, dass man das auch ohne einen Gott ganz passabel erklären kann. Prinzipiell ist es unzulässig, 'Gott' als Erklärung zu missbrauchen. Er würde dadurch in die Rolle eines Lückenbüßers gedrängt, der irgendwann an Wohnungsnot zugrunde geht. Außerdem sollte man sich immer vor Augen halten, dass 'Gott' eine Worthülse ist. Hier in Mitteleuropa versteht man darunter vermutlich üblicherweise den Christengott. Die obige Argumentation dürfte aber auch für jeden beliebigen anderen Schöpfer oder auch ein Team aus Schöpfern gelten.

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Evolution unter Beteiligung irgendwelcher 'geistiger' Faktoren

Auch hier handelt es sich um ein Konglomerat von sehr unterschiedlichen Positionen. Ihnen ist gemein, dass sie davon ausgehen, dass eine Erklärung auf der Basis der bekannten Naturgesetze nicht möglich ist. Im Gegensatz zur theistischen Evolution braucht es sich bei den 'geistigen' Faktoren aber nicht um irgendwelche meist personal gedachten Gottheiten oder gar um den Christengott zu handeln. Meist sprechen die Vertreter solcher Positionen von 'Entelechie', 'Vis vitalis', 'Élan vital' oder Ähnlichem. Im Prinzip gilt hier das oben unter 'theistischer Evolution' gesagte: solche Vorstellungen erklären nichts, man ersetzt nur 'ich weiß es nicht' durch einen wissenschaftlicher klingenden Ausdruck.

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Aus dem Fossilbefund folgt für mich zwingend, dass eine Evolution der Lebewesen eine Tatsache ist

Für mich ist eine Evolution, nicht im Sinne von Abstammung, sondern im Sinne einer Entwicklung, eine historische Tatsache, gegen die es keinerlei ernsthafte Einwände geben kann, solange man die minimalen Standards wissenschaftlichen Argumentierens anerkennt. Der Fossilbefund ist diesbezüglich schlicht eindeutig.

Wenn man anerkennt, dass

  1. geologische Schichten im Lauf der Zeit übereinander abgelagert werden
  2. die meisten Lebewesen zumindest theoretische eine Chance hatten, als Fossil erhalten zu bleiben
kann der Fossilbefund nur als Beweis für eine Entwicklung gedeutet werden.

Ich möchte an dieser Stelle nicht näher auf die Erforschung der Geschichte der Erde eingehen. Falls Sie an Details interessiert sind, finden Sie diese in den entsprechenden Artikeln, die ich für Sie übertragen habe. In diesen wird hinreichend belegt, dass sich der geologische Befund nicht anders deuten läßt als ich unten angeführt habe. Beachten Sie bitte, dass die absolute Datierung (also beispielsweise: diese Schicht ist 1 Million Jahre alt) für die folgende Argumentation keine Rolle spielt. Es geht nur darum, dass man das relative Alter der Schichten (Schicht A ist zeitlich nach der Schicht B abgelagert worden) und der darin eingebetteten Fossilien kennt. Die geologische Schichtenfolge mit deren relativer Datierung wurde schon vor Darwin von durchaus christlich geprägten Geologen, die meist von einer weltweiten Sintflut ausgingen, aufgestellt. Der Gedanke an eine Evolution spielte dabei keine Rolle.

Problematischer ist der zweite Punkt. Die Lebensgemeinschaften der damaligen Zeiten haben sich oft radikal von den heutigen unterschieden. Man kann daher nicht mit Sicherheit wissen, ob systematische 'Verzerrungen' vorliegen, beispielsweise, weil bestimmte Lebensformen nicht als Fossilien erhalten wurden. Wenn man aber bedenkt, dass es aus sehr alten Schichten Abdrücke von Quallen oder sogar Regentropfen gibt, kann man meiner Meinung nach mit Sicherheit davon ausgehen, dass jede Lebensform prinzipiell als Fossil erhalten bleiben konnte.

Der Fossilbefund zeigt, auch wenn man nicht an eine Deszendenz im Sinne einer Abstammung der Lebensformen voneinander glaubt, einige unzweideutige 'Trends':

  1. die Gruppen von Lebewesen (beispielsweise Trilobiten, Fische oder Säugetiere) tauchen zeitlich nacheinander auf
  2. die Organismen, die man in den ältesten Schichten findet, sind 'einfacher' gebaut als die, die man aus späteren Schichten kennt
  3. die Lebensgemeinschaften in früheren Zeiten unterscheiden sich grundlegend von den heutigen.
Befund 1 zeigt ganz klar, dass eine Schöpfung, wie wir sie in den beiden Schöpfungsberichten der Bibel beschrieben finden, mit dem Fossilbefund nicht vereinbar ist. Auch wenn man die damals erschaffenen 'Arten' als Grundtypen, aus denen sich alle heute lebenden Wesen entwickelten, deutet, bleibt ein Ergebnis eindeutig: man findet keine erdgeschichtlich 'jungen' Organismen in alten Schichten. Das gilt natürlich auch für Fossilien, die von Menschen stammen. Ein Paradies, in dem Menschen und Tiere zusammen lebten, ist mit dem Fossilbefund nicht vereinbar. Die 'Schöpfung' war auch zu keinem Zeitpunkt 'fertig'. Das Grundtypen-Modell wäre für Kreationisten daher nur von Nutzen, wenn alle Grundtypen schon in den ältesten Schichten vorhanden gewesen wären. Da Grundtypen üblicherweise in etwa dem entsprechen sollen, was in der modernen Taxonomie als 'Familie' eingeordnet wird, scheitert dieser Ansatz. (Nähere Informationen über Grundtypen finden Sie im sogenannten 'Evolutionsbuch', das Junker und Scherer, Mitarbeiter der Studiengemeinschaft Wort und Wissen, herausgegeben haben, eine kritische Besprechung dieses Ansatzes an anderer Stelle).

Betrachten wir als Beispiel die Wirbeltiere, weil diese Tiergruppe auch Nicht-Biologen wohl am vertrautesten ist. In dieser Tiergruppe unterscheidet man Fische, Lurche, Reptilien, Vögel und Säugetiere. Es gibt sehr alte geologische Schichten, die an fossilen Wirbeltieren nur Fische enthalten. In noch älteren Schichten findet man dagegen keinerlei Wirbeltier-Fossilien. In jüngeren Schichten findet man Fossilien von Fischen und Lurchen. Noch später solche von Fischen, Lurchen und Reptilien und schließlich alle Gruppen zusammen. Genau das ist mit 'Evolution des Lebens' gemeint: im Laufe der Zeit entstanden neue Gruppen von Organismen, die vorher noch nicht da waren. Diesen Gedankengang habe ich an anderer Stelle anhand einer Abbildung verdeutlicht.

Im Gegensatz zu vielen Ursprungstheorien besteht darin sogar eine Falsifikationsmöglichkeit des naturalistischen Ansatzes: ein Fossil, das man in einer Schicht findet, das dort auf keinen Fall vorkommen dürfte, würde zumindest ein Evolutionsmodell, das von einer Deszendenz ausgeht, widerlegen. Für mich persönlich wäre das berühmte Haldanesche Kaninchen (ein autochthon eingebettetes Kaninchen, das heißt, dass die Knochen nicht nachträglich in diese Schicht gelangten, in einer präkambrischen Schicht) ein Tatsachenbefund, der mich dazu zwingen würde, mein Weltbild grundlegend zu überdenken. Im Rahmen der bisherigen Auffassung von Evolution wäre dieser Fund nicht einzuordnen.

Man findet selbstverständlich immer wieder in älteren Schichten Fossilien, die man dort nicht erwartet hat. Aber das ist kein Problem für meine Haltung, solange diese Abweichung 'im Rahmen' bleibt. Archaeopteryx beispielsweise wurde lange Zeit als der erste Vogel betrachtet. Später fand man Vogel-Fossilien aber auch in wesentlich älteren Schichten. Für die Theorie, dass sich die Vögel aus den Reptilien entwickelt haben, spielt es aber keine Rolle, wenn man ältere Fossilien findet, solange diese nicht älter sind als die Dinosaurier, aus denen sich die Vögel nach derzeitiger Auffassung entwickelten. Ein Vogel-Fossil in einer Schicht aus einer Zeit, die vor dem Entstehen der Saurier oder gar der Wirbeltiere stammt, wäre für die Theorie der Deszendenz ebenso destruktiv wie das präkambrische Kaninchen.

Dasselbe würde auch für die vielen menschlichen Artefakte gelten, die angeblich in sehr alten Schichten gefunden wurden. Durch die Literatur geistern Hämmer, Mörser, Goldstücke und so weiter, die angeblich aus dem Karbon oder noch früher stammen sollen. Mir ist nicht bekannt, dass solche Artefakte mit modernen Methoden wissenschaftlich untersucht und dann immer noch als bedeutsam eingestuft wurden. Dasselbe gilt auch für die berühmten Menschenspuren zwischen Dinosaurier-Fährten. Inzwischen geben sogar Kreationisten zu, dass sie sich bei der Interpretation dieser Spuren getäuscht haben.

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Befund 2 widerlegt eine These, dass die Lebewesen ursprünglich perfekt geschaffen wurden und seither 'degenerierten'. Man kann es drehen und wenden, wie man will, die Fakten sprechen für eine 'Höherentwicklung', zumindest für eine Zunahme der Komplexität. Von Kreationisten wird immer wieder betont, dass alle Arten, die als Fossilien gefunden wurden, zumindest in dem Sinn 'perfekt' gewesen sind, dass sie sehr gut an ihre jeweilige Umwelt angepasst waren. Beispielsweise findet man oft Abbildungen von fossilen Fledermäusen, die schon ein Echolotsystem hatten. Das ist aber nicht der Punkt. Ein Argument gegen Evolution im obigen Sinne wäre nur, wenn man eine Fledermaus in sehr alten Schichten finden würde.

Vom Standpunkt eines Evolutionisten aus ist nicht zu erwarten, dass man eine sehr primitive Fledermaus findet. Denn diese wäre vermutlich nicht sehr häufig gewesen, noch unwahrscheinlicher wäre dann, dass man ein Fossil derselben fände. Die Erhaltung eines Lebewesens als Fossil ist ein sehr unwahrscheinliches Ereignis. Vermutlich kennt man nur die Lebewesen, die in recht großen Individuenzahlen vorkamen. Das dürfte bei schlecht angepassten Lebewesen nicht der Fall gewesen sein.

Der obige Einwand ist aber in einem gewissen Umfang ein Argument (aber kein Beweis) gegen eine Deszendenz, also Abstammung der Lebewesen voneinander, wie das beispielsweise Darwin lehrte. Er vertrat eine gradualistische Auffassung und musste daher davon ausgehen, dass es sogenannte Übergangsformen zwischen den Lebensformen gegeben haben muss. Er führte deren Fehlen auf die geringe Wahrscheinlichkeit, dass die jeweiligen Fossilien gefunden werden, zurück. Es gibt aber auch andere Evolutionstheorien, die von Entwicklungs-Sprüngen ausgehen. Sollten diese Theorien zutreffen, hat es niemals Zwischenformen gegeben, obwohl die Lebensformen voneinander abstammen. Sie sehen, dass ein Argument gegen den Gradualismus weder ein Argument gegen eine Deszendenz noch gar gegen Evolution als historische Tatsache darstellt.

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Befund 3 ist noch ein weiterer Einwand gegen eine Schöpfung aller Lebewesen vor kurzer Zeit. Man kennt sehr viele fossile Lebensgemeinschaften, die ausschließlich aus Organismen bestehen, die heute nicht mehr existieren. Wenn die Lebewesen gemeinsam zur selben Zeit erschaffen worden wären, sollte man erwarten, dass man in allen Schichten Vertreter jeden Typs findet.

In diesem Zusammenhang ist vielleicht noch erwähnenswert, dass das Land vergleichsweise spät besiedelt wurde. Vermutlich lag das daran, dass auf der frühen Erde keine Ozon-Schicht vorhanden war, welche die aus dem All kommende UV-Strahlung herausfiltern konnte. Der Sauerstoff gelangte erst durch die Photosynthese der Pflanzen in die Atmosphäre. Wasser absorbiert diese Strahlung, daher war Leben lange Zeit nur ab einer bestimmten Wassertiefe möglich. Man kann anhand von bestimmten Gesteinen (sie enthalten Eisen-Mineralien, die nur vorkommen können, wenn kein Sauerstoff vorhanden ist) erkennen, dass der Sauerstoff-Gehalt der Atmosphäre nur langsam anstieg. Erst als dessen Konzentration einen bestimmten Wert überstieg, konnte sich eine Ozon-Schicht ausbilden, die ein Leben an Land ermöglichte. Damit gekoppelt war auch die Möglichkeit, den Sauerstoff für effektivere Stoffwechselwege zu nutzen. Die meisten heute bekannten Lebewesen wären ohne diese schützende Ozon-Schicht nicht überllebensfähig.

Mir ist kein Befund bekannt, der den obigen Aussagen widersprechen würde. Durch den Fossilbefund ist eindeutig widerlegt, dass alle Lebewesen gleichzeitig geschaffen wurden. Jede Theorie, die das behauptet, ist beim derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht haltbar.

Es ist ebenso unvorstellbar, dass die geologische Schichtenfolge innerhalb weniger Monate durch eine weltweite Sintflut abgelagert wurde. Details finden sie in einem Artikel, den ich für Sie übertragen habe. Aus den bisher genannten Gründen ist der biblisch orientierte Kurzzeit-Kreationismus mit den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaften nicht vereinbar. Nicht, weil er nicht wissenschaftlich ist, sondern im Gegenteil, weil er wissenschaftliche Aussagen macht, die allerdings widerlegt sind. Die anderen nicht-naturalistischen Theorien machen meist keine konkreten Aussagen über Dauer und Abfolge der Evolution. Sie werden deshalb durch die genannten Tatsachen nicht widerlegt. Das liegt nicht daran, dass sie irgendwie sicherer oder wissenschaftlicher wären, sondern beruht lediglich darauf, dass sie keine prüfbaren Aussagen machen. Sie stellen sich damit außerhalb des Denkrahmens der Naturwissenschaften. Daraus folgt nicht, dass diese Auffassungen falsch sind, lediglich, dass es keine Möglichkeit gibt, sie zu prüfen.

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Der Bau der heutigen Lebewesen läßt auf eine gemeinsame Abstammung schließen

Unter 'Verwandtschaft' ('Deszendenz') versteht man allgemein eine gemeinsame Abstammung. Diese ist in vielen Fällen mit einer Ähnlichkeit von Merkmalen verbunden. Niemand wundert sich darüber, dass ein Baby einem Mitglied der Familie ähnelt. Gemeinsame Merkmale werden als Indiz für eine Abstammung gewertet.

Dieses Argument kann man selbstverständlich auf die Organismenwelt ausdehnen. Hier unterscheidet man ebenfalls abgestufte Ähnlichkeiten. Man könnte sich eine viel größere Artenfülle vorstellen, als man in der Natur findet. Falls Sie gelegentlich ein Naturhistorisches Museum besuchen, sollten Sie sich auf jeden Fall die Käfersammlung ansehen. Bei diesen handelt es sich um die formenreichste Gruppe der Lebewesen. Es gibt hier eine schier unglaubliche Formenfülle. Einige dieser Tiere können Sie mit dem bloßen Auge kaum sehen, andere sind mehrere Zentimeter groß. Sie können unscheinbar gefärbt sein, es gibt aber auch sehr bunt gefärbte oder auch metallisch glänzende Arten. Aber wenn Sie näher hinschauen, werden sie bemerken, dass es sich 'nur' um Variationen eines Themas handelt: ein Grundbauplan mit sechs Beinen, einem dreigeteilten Körper mit einem Paar Flügeldecken und einem Flügelpaar am zweiten Körperabschnitt, der auch die Beine trägt.

Warum gibt es keine Käfer mit 8 Beinen? Oder mit Flügeldecken und zwei Paar Flügeln? Oder mit vier Fühlern? Es gibt keinen triftigen Grund, warum das so sein müsste. Wenn man davon ausgeht, dass sich diese Wesen aus einem gemeinsamen Vorfahren entwickelten, ist das dagegen sehr leicht verständlich. Sie haben dessen Grundbauplan 'geerbt', alle Änderungen können nur im Rahmen dieses Bauplans erfolgen. Warum hingegen ein Schöpfer, der alle diese Wesen geschaffen hat, beispielsweise an 3 Beinpaare gebunden war, ist schwer vorstellbar.

Ein weiteres Beispiel ist der Bau der Vorderextremität der Wirbeltiere. Wenn Sie die Skelette eines menschlichen Armes, eines Vogelflügels und einer Wal-Flosse vergleichen, werden Sie feststellen, dass alle diese Extremitäten aus denselben Knochen aufgebaut sind, obwohl sie vollkommen verschiedene Aufgaben erfüllen müssen. Ein Konstrukteur, der die genannten Wesen entwickelt hätte, wäre wohl nicht darauf angewiesen, mit dem Material, das gerade zur Verfügung stand, das entsprechende Organ zu bauen. Wenn man aber davon ausgeht, dass sich diese Wesen aus gemeinsamen Vorfahren entwickelten, ist leicht verständlich, warum man dieselben Knochen bei allen Extremitäten findet. Sie wurden geerbt und die Abkommen mussten mit diesen Strukturen 'klarkommen'.

Ähnliches gilt auch für den genetischen Code. Man hat inzwischen zwar gefunden, dass er nicht so streng gilt, wie man das früher vermutet hatte, die Abweichungen sind aber eher als Variationen eines Themas zu werten. Es gibt keinen zwingenden Grund, warum der Code genau auf die Art und Weise konstruiert sein müsste, wie wir ihn kennen. Wenn man davon ausgeht, dass alle Lebewesen von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen, ist das hingegen leicht erklärbar. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das genetische Material der Bakterien und der Zellen mit echtem Zellkern, aus denen die Körper aller mehrzelligen Tiere aufgebaut sind, vollkommen unterschiedlich organisiert ist (die Details sind zu komplex, um sie hier auch nur anzudeuten), obwohl die elementare Codierung dieselbe ist.

Das für mich einleuchtendste Argument möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Details finden Sie in einem Artikel von Edward E. Max. Gene können durch das 'Einklinken' von Erbinformation (z.B. Viren etc.) inaktiviert werden. Falls das zerstörte Gen nicht lebenswichtig war, wird das Gen mit dem 'eingeklinkten' Genstück vererbt. Alle Nachkommen dieses Wesens haben dann das defekte Gen. So gesehen ist dieses defekte Gen ein Beweis für Verwandtschaft. Die Menschenaffen und das Meerschweinchen sind die einzigen Säugetiere, die Vitamin C mit der Nahrung aufnehmen müssen. Das Gen, das an der Synthese von Vitamin C beteiligt ist, ist defekt. Es enthält ein 'eingeklinktes' Stück DNA, die es funktionsunfähig macht. Dieses Genstück ist bei Mensch und Menschenaffen identisch. Ich wüsste nicht, wie man sich diesen Befund anders als durch Verwandtschaft erklären sollte. Ein Vorfahr von Mensch und Menschenaffe wies diesen Gendefekt auf, aus ihm entwickelten sich Mensch und Menschenaffen.

Interessant ist vielleicht in diesem Zusammenhang noch, dass die Inaktivierung des Gens beim Meerschweinchen auf einem anderen Mechanismus beruht.

Aus den genannten Gründen gehe ich davon aus, dass es nicht nur eine Entwicklung gegeben hat, sondern dass sich die Lebewesen aus gemeinsamen Vorfahren entwickelt haben. Dieser Befund widerspricht ebenso wie der Fossilbefund dem biblisch orientierten Kurzzeit-Kreationismus. Die anderen Evolutionstheorien lassen sich dagegen problemlos mit einer gemeinsamen Abstammung der Lebewesen vereinbaren. Nichts spricht beispielsweise dagegen, dass ein Schöpfer die Wesen nacheinander so geschaffen hat, dass sie so aussehen, als hätten sie sich auseinander entwickelt. Diese Auffassung ist allerdings nicht wissenschaftlich: sie erklärt nichts.

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Welche Mechanismen die Evolution hervorrufen, ist noch nicht restlos geklärt

Zur Zeit ist die gängigste Evolutionstheorie die sogenannte Synthetische Theorie der Evolution. Im Prinzip beruht sie auf einer konsequenten Anwendung der Selektionstheorie Darwins und einer ganzen Reihe weiterer Erkenntnisse aus verschiedenen Disziplinen, beispielsweise der Genetik, der Populationsgenetik und vielen anderen Disziplinen. In letzter Konsequenz sagt diese Theorie aus, dass durch zufällige Ereignisse neues genetisches Material bzw. neue Kombinationen entstehen und durch die Selektion der Merkmalsträger im Laufe der Zeit Neues entstehen kann. An dieser Stelle möchte ich nicht allzu intensiv auf diese Modelle eingehen sondern nur meine Position darstellen.

Für mich steht außer Frage, dass durch die Synthetische Theorie die sogenannte Mikroevolution erklärt werden kann. Darunter verstehe ich die Bildung von Rassen und neuen Arten. Diese Vorgänge sind sowohl durch Modellierung als auch durch Beobachtungen in der Natur hinreichend belegt. Selbst Kurzzeit-Kreationisten erkennen Evolution in diesem Rahmen inzwischen an. Im Prinzip konnte schon Darwin zeigen, wie durch Selektion ein reaktionsfähiges System im Rahmen seiner Möglichkeiten verändert werden kann. Bedenken Sie beispielsweise, dass alle heute lebenden Hunde aus dem Wolf 'herausgezüchtet' wurden. Natürlich kamen noch Neumutationen dazu, aber es ist prinzipiell immer noch möglich, jede Hunderasse mit jeder anderen zu kreuzen. Biologisch gesehen gehören daher alle Hunde einer einzigen Art an, obwohl sie sich im Aussehen stark unterscheiden. Aus der Urform 'Wolf' ließen sich also so extreme Varianten wie der Chihuahua, der in ein großes Cognac-Glas passt und der Bernhardiner, der es in der Größe durchaus mit einem Kalb aufnehmen kann, herauszüchten.

Ob diese Mechanismen (Auslese von bestimmten Genkombinationen) allerdings in der Lage sind, makroevolutive Phänomene (beispielsweise die Entstehung von neuen Bauplänen) zu erklären, scheint mir zumindest anzweifelbar zu sein. Ich möchte natürlich nicht irgendwelchen obskuren Entelechien oder ähnlichen nicht-materiellen Wesenheiten das Wort reden, aber ich bin mir nicht sicher, ob der zur Zeit in den Naturwissenschaften übliche Reduktionismus der Weisheit letzter Schluss ist. Man sollte vielleicht noch dazufügen, dass die Synthetische Theorie seit etwa 1970 ihre allumfassende Dominanz als einzige anerkannte Evolutionstheorie verloren hat. Es gibt aber keine einzige ausformulierte Alternative, die an Erklärungsmächtigkeit und experimenteller Bestätigung auch nur annähernd an die Synthetische Theorie herankommt.

Ich halte es durchaus für möglich, dass es für eine Beantwortung der Frage nach den Mechanismen der Makro-Evolution einfach noch zu früh ist. Wir kennen erst von einigen wenigen Organismen die komplette DNA-Sequenz, es ist daher noch gar nicht möglich, die notwendigen Vergleiche anzustellen. Zudem sind wir über die komplexen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Gen-Typen, vor allem während der Embryonal-Entwicklung, noch nicht hinreichend informiert. Vermutlich sollte man erst noch ein paar Jahre abwarten und weiterforschen, bevor man versucht, die 'letzten Geheimnisse' der Evolution zu lüften.

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Zusammenfassung

Aufgrund der oben geschilderten Befunde gehe ich davon aus, dass auf der Erde eine Evolution des Lebendigen stattgefunden hat. Darunter verstehe ich, dass sich im Laufe sehr langer Zeiträume immer komplizierter gebaute Lebewesen entwickelt haben. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass sich die heute vorhandenen Lebewesen aus gemeinsamen Vorfahren entwickelt haben. Wie das konkret abgelaufen ist, läßt sich mit den Methoden der Stammbaumforschung einigermaßen zuverlässig rekonstruieren. Welche Mechanismen letztendlich die Evolution bewirkten, ist meiner Meinung nach aber noch nicht geklärt.

Möglicherweise sehen Sie hier einen Zusammenhang mit meiner allgemeinen Weltanschauung. Ich bin, auch was die Mechanismen der Evolution betrifft, Agnostiker. Trotzdem glaube ich, dass wir genügend wissen, um bestimmte Theorien (beispielsweise den Lamarckismus oder eine Schöpfung, wie sie in der Bibel beschrieben ist) ausschließen zu können. Eine theistische Evolution ist ein so vages Konzept, dass es kaum eine mögliche Beobachtung gibt, die sie widerlegen könnte. Sie erfüllt daher nicht das Kriterium der Falsifizierbarkeit, das alle naturwissenschaftlichen Theorien kennzeichnet. Das gilt auch für die anderen Theorien, die ich kenne. Daher bin ich praktizierender naturalistischer Evolutionist und hoffe, dass die Zukunft mehr Klarheit bringen wird.

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E-Mail an Thomas Waschke an Thomas Waschke Stand: 17. November 2001