Kritische Anmerkungen zum 'Evolutionsbuch'

(Junker / Scherer (Hg.) 'Evolution. Ein kritisches Lehrbuch')

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Vorbemerkung
Das 'Evolutionsbuch' in der Diskussion
Die Ziele des 'Evolutionsbuchs'
Konkrete Angabe von testbaren Fragestellungen der Schöpfungsforschung
Testbare Fragestellungen aufgrund von Postulaten der Schöpfungslehre
Was ist eigentlich Kurzzeit-Kreationismus?
Prüfbare starke Vorhersagen des Kurzzeit-Kreationismus
Aussagen zur Begründung Kurzzeit-Kreationismus im Evolutionsbuch
Fazit: Was kann dieses Buch erreichen?
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Vorbemerkung

Im sogenannten 'Evolutionsbuch' soll eine Schöpfung in Form des Kurzzeit-Kreationismus als wissenschaftliche Alternative zur naturalistischen Forschung vorstellen. Ich versuche in meiner Analyse zeigen, warum das meiner Meinung nach nicht der Fall ist.

Auf meiner Site und im Web finden Sie etliche Rezensionen dieses Buchs. Deshalb möchte ich nicht einfach noch eine weitere hinzufügen. Ich werde zwar den Inhalt des Buchs auch an den Zielen der Autoren messen, mich aber im wesentlichen auf die Argumente für die Schöpfungs-Alternative beschränken. Bei meiner Besprechung handelt sich aber vor allem um eine Analyse des Standpunkts des Kurzzeit-Kreationismus (wie schillernd der Begriff 'Schöpfung' bzw. 'Kreationismus' ist, ist an anderer Stelle ausführlicher dargestellt). Das heißt, ich stelle zunächst die Aussagen dieser Weltanschauung kurz dar und gehe dann darauf ein, ob, und gegebenenfalls, wie die Autoren im 'Evolutionsbuch' diese Weltanschauung stützen.

[ Übersicht ]

Das 'Evolutionsbuch' in der Diskussion

Das 'Evolutionsbuch' hat in bestimmten Kreisen eine große Verbreitung gefunden. Wenn ich richtig informiert bin, wurden mehrere 10.000 Exemplare verkauft. Das Echo in der Fachwelt war allerdings sehr verhalten. Gegen Ende des Vorworts zur 5. Auflage schreiben die Herausgeber:

Von einigen Lesern hat uns berechtigte Kritik erreicht, diese wurde generell berücksichtigt, hat aber meist nur zu kleineren Änderungen geführt. Das Buch wurde in der Fachwelt weitgehend mit Schweigen bedacht. Einige wenige Reaktionen waren stark emotional geprägt - dies überraschte nicht. Es war eine Erfahrung eigener Art für uns, daß man vernichtende Buchbesprechungen veröffentlichen kann, nach deren Lektüre wir uns ernsthaft fragten, ob es der Rezensent denn für nötig gehalten hat, das besprochene Werk auch zu lesen. (Evolution S. 5)

Diese etwas resignierte Reaktion ist verständlich. Die Autoren haben sich sehr viel Mühe gegeben, die Schwachstellen der Evolutionsauffassung konkret aufzuzeigen ('Evolutionskritik'). Natürlich akzeptieren sie dabei 'berechtigte Kritik' und arbeiten sie in ihre Ausführungen ein. Die 'kleineren Änderungen' hierbei waren aber so marginal, dass die meisten Seiten der 5. Auflage sich nicht von denen der 4. unterscheiden.

Das Ergebnis dieser Anstrengungen ist frustierender Weise auf der einen Seite Schweigen. Nach meiner Einschätzung gibt es für kritische Menschen, denen die methodischen Grenzen des naturalistischen Ansatzes und der Evolutionslehre bekannt sind, keinen Anlass, sich mit den sachlichen Darstellungen ernsthaft auseinanderzusetzen und nun jedes Detail kritisch zu prüfen. Für diesen Leserkreis erübrigt sich aus einem ganz einfachen Grund eine Reaktion: das Buch 'tut nicht weh'. Man kann problemlos alle im 'Evolutionsbuch' sachlich und faktisch geschilderten Probleme der Evolutionsauffassung auf die Liste 'Muss noch erforscht werden' setzen und dann zur Tagesordnung übergehen. Die Autoren räumen explizit an vielen Stellen ein, dass man die geschilderten Befunde durchaus im Rahmen eines naturalistischen Evolutionsmodells deuten kann. Einen expliziten Vorteil des Schöpfungsmodells, der über ein Plädoyer für das Offenhalten von Alternativen hinausgeht, habe ich in dem Buch nicht gefunden. Ich hätte keinerlei Probleme, dieses Buch in einem Biologie-Kurs in der gymnasialen Oberstufe zu verwenden: die Darstellung vieler Fakten unterscheidet sich nicht von der in den üblichen Schulbüchern, Grenzüberschreitungen sind klar gekennzeichnet. Das Buch würde sich hervorragend dazu eignen, den Schülern kritisches Denken beizubringen, beispielsweise, indem untersucht wird, warum eine naturalistische Auffassung einem schöpfungsorientierten Ansatz vorzuziehen ist.

Die zweite Gruppe besteht eher aus Menschen, für die naturalistische Wissenschaft eine Art 'Ersatzreligion' geworden ist, und die sich nun mit Händen und Füßen dagegen wehren, dass ihnen gezeigt wird, dass sie nicht so viel wissen, wie sie gerne würden. Diese Menschen stellen dann entweder eher marginale Fehler der Darstellung in den Vordergrund oder polemisieren gleich gegen vermutete Motive der Autoren. Oft ist es dann leicht, zu zeigen, dass diese Menschen das Buch gar nicht gelesen haben.

Mein eigener Ansatz bewegt sich irgendwo zwischen diesen beiden Alternativen. Mein Motiv zur Beschäftigung mit diesem Buch besteht vor allem darin, dass es mir in Diskussionen von Kreationisten als autoritative Quelle genannt wird. Aus diesem Grund ist der Ansatz meiner Kritik etwas anders. Ich messe das Buch nicht, wie die Autoren eigentlich erwarten, an den evolutionskritischen Zielen, die sie sich selbst für dieses Buch gesteckt haben. Fachliche Details, also die Frage, ob evolutionsbiologische Sachverhalte korrekt dargestellt werden, interessieren mich eher am Rande. Mein Ansatz bewegt sich auf einer andere Ebene: ist dieses Buch geeignet, in der Diskussion zwischen Kreationisten und Anhängern einer naturalistischen Evolution die konkrete Auffassung von Schöpfung, welche die Mitglieder der Studiengemeinschaft Wort und Wissen (und den Kreationisten, die sich auf dieses Buch beziehen) vertreten, nämlich den Kurzzeit-Kreationismus, zu stützen?

In einem anderen Artikel habe ich diese Kritik anlässlich eines Informationsblattes, in dem das 'Evolutionsbuch' beworben wird, dargestellt. Im vorliegenden Artikel möchte ich diesen Gedankengang etwas vertiefen und anhand von Zitaten aus dem 'Evolutionsbuch' belegen. Ich habe keinen Wert darauf gelegt, Überschneidungen zwischen den beiden Artikeln zu vermeiden, weil ich beide je für sich verständlich halten wollte.

[ Übersicht ]

Die Ziele des 'Evolutionsbuchs'

Im Vorwort des Buchs nennen die Autoren ihr Hauptanliegen:

Das Denken in evolutionären Kategorien hat sich so fest etabliert, daß man grundsätzliche Einwände gar nicht mehr erwartet. Könnte das ein Grund dafür sein, daß widersprüchliche Daten scheinbar nicht wahrgenommen werden? Evolutionskritische Befunde sind, wenn überhaupt, meist nur in spezieller Fachliteratur festgehalten und erreichen den nicht spezialisierten Leser selten. Daraus ergibt sich ein Hauptanliegen dieses Buches. Weithin unbekannte Deutungsprobleme und offene Fragen der Evolutionslehre werden systematisch und umfassend thematisiert. Sie haben nach unserer Auffassung ein so großes Gewicht, daß Makroevolution als Leitvorstellung [ ... ] ernsthaft in Frage gestellt werden muß und schon gar nicht als "bewiesenes Faktum" gelten kann. (Evolution S. 6, Hervorhebung im Original, T.W.)

Ziel des Buches soll es offensichtlich sein, Deutungsprobleme und offene Fragen der Evolutionslehre darzustellen. Die Autoren gehen so weit, aus diesen Problemen zu folgern, dass Makroevolution als Leitvorstellung in Frage gestellt werden muss. Das würde bedeuten, dass die Alternativen, also auch Schöpfungsvorstellungen, die bisher nicht beachtet wurden, an Bedeutung gewinnen.

Aus den obigen Zeilen wird zwar deutlich, dass das Buch vornehmlich nicht das Ziel hat, die Weltanschauung des Kurzzeit-Kreationismus zu belegen. Die Autoren benennen allerdings auch explizit ihre Alternative:

Zur Makroevolutionslehre existiert eine Alternative. Sie ist von der biblischen Offenbarung her motiviert und wird als Schöpfungslehre in diesem Buch thematisiert, wo direkte Zusammenhänge mit naturwissenschaftlichen Daten gegeben sind. (Evolution S. 6, Hervorhebung im Original, T.W.)

Die Formulierung 'eine' Alternative in diesem Zusammenhang ist mehrdeutig. Im Buch selber wird angeführt, dass es mehrere sich gegenseitig widersprechende Auffassungen von Schöpfung gibt (auf S. 272 f werden 'ökologische' und 'esoterische', sowie 'Langzeit-Schöpfungslehren' und 'theistische Schöpfungslehren' neben der von den Autoren vertretenen 'Kurzzeit-Schöpfungslehre' genannt). Hieran wird schon erkennbar, dass die Widerlegung des Evolutionsmodells bestenfalls eine notwendige, aber noch lange keine hinreichende Voraussetzung für den Standpunkt der Autoren ist. Den Begriff 'Schöpfungslehre' im obigen Zitat muss man also kritisch hinterfragen: ist das, was im 'Evolutionsbuch' als 'Schöpfungslehre' diskutiert wird, die konkrete Auffassung von der Art Schöpfung, die die Autoren vertreten? Genauer: ist ein Hinweis auf die Möglichkeit einer Schöpfung schon ein Argument für den Kurzzeit-Kreationismus?

An dieser Stelle sei vielleicht schon ein Hinweis vorangestellt. Man muss die Texte der Autoren von Wort und Wissen, vor allem die, die für die säkulare Öffentlichkeit bestimmt sind, sehr genau, auch zwischen den Zeilen, lesen. Die Autoren verfolgen hier die Strategie, Befunde, die sich in ihrem Sinn deuten lassen, vorzustellen und damit anzudeuten, dass dieser Befund ihre Auffassung stützt. So findet man beispielsweise sehr häufig die Qualifizierung, dass bestimmte Prozesse 'schnell' ablaufen können. Wenn man bedenkt, dass die Autoren von einer jungen Erde ausgehen, ist natürlich alles, was 'schnell' ablaufen kann, prinzipiell leichter mit deren Weltbild zu vereinbaren, als 'langsame' Vorgänge. Wenn man diese Adjektive allerdings in Zahlen ausdrückt, zeigt sich schnell, dass sie kein Argument für die Position des Kurzzeit-Kreationismus darstellen. Wenn von einer Erde ausgegangen wird, die maximal (die Angaben schwanken je nach Autor) wenige 10.000 Jahre alt ist, spielt es wirklich keine Rolle, wenn man herausfindet, dass ein Vorgang nicht, wie man früher angenommen hat, 5 Millionen Jahre, sondern 'nur' 4 Millionen Jahre gedauert hat. Dieses Argument habe ich als 'Apfelbaum im Garten'-Fehlschluss persifliert.

Man muss also im konkreten Einzelfall sehr genau prüfen, ob eine Beobachtung gegen eine naturalistische Evolution spricht, auf eine Schöpfung hin deutet oder gar den Kurzzeit-Kreationismus belegt. In den meisten Fällen werden lediglich Deutungen angeboten, die es erlauben, die zur Diskussion stehende Befunde auch im Rahmen einer Schöpfungsvorstellung zu interpretieren. Das ist eine Stufe weniger, als zu zeigen, dass sie besser als Hinweise auf Schöpfungsakt zu werten sind, noch eine Stufe weniger als der Aufweis, dass sie nicht naturalistisch zu erklären sind und noch weit davon entfernt, einen Beweis für den Kurzzeit-Kreationismus zu liefern.

[ Übersicht ]

Konkrete Angabe von testbaren Fragestellungen der Schöpfungsforschung

Die Autoren erkennen an, dass jede Theorie, die in der wissenschaftlichen Diskussion ernst genommen werden will, testbare Fragestellungen aufweisen muss. In der unten stehenden Tabelle werden die Grundpositionen der Schöpfungslehre und daraus abgeleitete testbare Fragestellungen dargestellt. Beachten Sie bitte, dass hier angebliche Postulate einer jeglichen Schöpfungslehre aufgelistet sind, die dann noch in Langzeit- und Kurzzeit-Schöpfungslehren differenziert werden. Die auf der Seite vorher besprochene theistische Evolution wird hier, genauso wenig wie die Fülle der nicht-biblisch orientieren Schöpfungs-Auffassungen, berücksichtigt. Es ist daher an dieser Stelle schon zu hinterfragen, ob diese Ausführungen für alle Schöpfungslehren gelten. Diese Frage hat bedeutende Auswirkungen auf die Tragweite möglicher positiver Tests: was würde in diesem Fall belegt? Alle Schöpfungslehren, ein Teil derselben oder gar der Kurzzeit-Kreationismus?

Tabelle mit testbaren Fragestellungen

 

Tabelle 15.1

 

Grundpostulate der Schöpfungslehre und daraus ableitbare Fragestellungen, die einer empirischen Prüfung zugänglich gemacht werden können (Evolution S. 274)


Interessanterweise werden Punkte, die, wie oben erwähnt, für den Ansatz des Kurzzeit-Kreationismus typisch sind, zwar als Postulat aufgeführt, aber nicht als testbare Fragestellung, zumindest nicht in einer 'starken Form', formuliert. Weiter unten gehe ich näher auf diesen Punkt ein. Die aufgeführten testbaren Fragestellungen haben alle eins gemeinsam: sie wären, selbst wenn sie bestätigt werden, entweder problemlos in eine naturalistische Evolutionsauffassung integrierbar. Selbst wenn diese Tests positiv ausgehen würden, dem Naturalismus widersprächen und eine Schöpfung nahelegten, würden sie den Kurzzeit-Kreationismus nicht gegenüber konkurrierenden Schöpfungs-Vorstellungen stützen.

Nur am Rande sei vermerkt, dass die Autoren den eigentlich zu erwartenden Gedanken, dass angegeben werden sollte, welche möglichen Beobachtungen Schöpfungsauffassungen widerlegen könnten, gar nicht erwähnen.

[ Übersicht ]

Testbare Fragestellungen aufgrund von Postulaten der Schöpfungslehre

Postulate der Schöpfungslehre

Hinweis: alle Zitate in diesem Abschnitt entstammen der Tabelle (Evolution S. 274). Zunächst führen die Autoren Postulate an, die für alle Schöpfungsauffassungen gelten sollen:

Die Lebewesen sind in getrennten taxonomischen Einheiten erschaffen worden.

Der entscheidende Begriff ist hier 'taxonomische Einheit'. Darunter kann man alles von einer individuellen Abweichung innerhalb einer Art bist zu einem Reich verstehen. Der Kurzzeit-Kreationismus geht davon aus, dass die sogenannten Grundtypen erschaffen wurden. Fraglich ist zudem, ob jede Schöpfungsauffassung davon ausgeht, dass getrennte taxonomische Einheiten erschaffen wurden.

Die Stammformen dieser Grundtypen waren genetisch polyvalent.

Das steht nicht im Widerspruch zur Evolutions-Auffassung: auch hier hatten die Organismen die Potenz, sich weiter zu entwickeln. In der Evolutionsforschung geht man davon aus, dass es undifferenzierte Stammformen gab, aus denen sich weitere Formen entwickelten. Ob man das als 'polyvalent' bezeichnen sollte, ist eine eher terminologische Frage.

Weil die Autoren des Buchs Kurzzeit-Kreationisten sind, interessieren hier besonders die Postulate, die diesen Typ Schöpfungslehre qualifizieren. Die testbaren Fragestellungen, die die Autoren selbst ableiten, werden weiter unten betrachtet. Hier gebe ich nur an, was in meinen Augen konkrete Vorhersagen wären, deren Eintreffen die den Kurzzeit-Kreationismus wirklich stützen würden.

Die Grundtypen wurden (geologisch gesehen) gleichzeitig ins Dasein gerufen.

Mögliche Fragestellung: kommen alle Grundtypen ab der ältesten Schicht vor, die Fossilien enthält? Abgrenzbare Grundtypen allein sind mit vielen Schöpfungsvorstellungen und auch mit einer naturalistischen Auffassung vereinbar.

Die Bildung geologischer Schichten (ab dem Kambrium?) hat innerhalb sehr kurzer Zeiten stattgefunden (---> katastrophische Deutung erdgeschichtlicher Daten)

Mögliche Fragestellung: kann gezeigt werden, dass keine Schicht lange Zeit zur Ablagerung benötigte?

Den Tod - auch in der Tierwelt - gibt es erst seit dem Sündenfall des Menschen.

Mögliche Fragestellung: Findet man Menschen-Fossilien in den ältesten Schichten?

Die biblisch bezeugte Sintflut war eine weltumspannende Überflutung mit gravierenden Auswirkungen auf die Lebewelt und die Geologie.

Zudem führen die Autoren noch ein Postulat auf, das die Langzeit-Schöpfungslehre charakterisiert:

Die Grundtypen wurden nacheinander im Laufe von rund 4,5 Milliarden Jahren erschaffen.

Hier wird deutlich, dass die Autoren zumindest erkennen, dass Grundtypen an sich nicht für den Kurzzeit-Kreationismus, den sie vertreten, typisch sind.

In der rechten Spalte werden dann testbare Fragestellungen aufgelistet, die merkwürdigerweise nicht auf die konkreten Postulate bezogen werden. Ich habe oben mögliche Fragestellungen, die starke Argumente für einen Kurzzeit-Kreationismus darstellen würden, aufgelistet. Nur zum Vergleich hier die testbaren Fragestellungen, die die Autoren aufzählen.

Können Grundtypen heute als abgrenzbare taxonomische Einheiten erkannt werden?

Gibt es Hinweise auf genetisch polyvalente Vorfahren der Grundtypen?

Diese Fragestellungen bleiben auf der Ebene der alternativen Interpretation eines auch anders deutbaren Befunds. Abgrenzbare taxonomische Einheiten sind im Evolutionsmodell leicht deutbar: es sind in diesem Modell die 'constraints' eines Bauplans.

Kann die Bildung von Arten und Gattungen innerhalb der Grundtypen durch mikroevolutive Prozesse erklärt werden? Im Rahmen der Kurzzeit-Schöpfungslehre sollte dies in sehr kurzen Zeiträumen möglich sein.

Die Bildung von neuen Arten ist eine unabdingbare Forderung des Evolutionsmodells. Offensichtlich erkennen die Autoren an, dass diese erfüllt ist, sonst würden sie eine Mikroevolution ablehnen. Die Frage, wie schnell derartige Prozesse ablaufen können, ist für das Evolutionsmodell so lange wenig interessant, als gezeigt werden kann, dass das Alter der Erde hierfür ausreicht. Auch ein extrem schneller Artbildungs-Mechanismus ist nur für bestimmte Evolutionstheorien (beispielsweise den Gradualismus) ein Problem. Im Rahmen einer naturalistischen Evolutionsauffassung ist eine schnelle Artbildung hingegen keine Schwierigkeit. In modernen systemtheoretischen Ansätzen wird, wie in älteren saltationistischen Auffassungen, davon ausgegangen, dass durch Systemsprünge nicht selektions-gesteuert neue Lebensformen entstehen. Die Autoren haben aber Recht, wenn sie darauf hinweisen, dass eine schnelle Artbildung im Rahmen ihres Weltbilds eine unabdingbare Voraussetzung ist.

Weist die Natur Indizien für Planmäßigkeit auf?

Anhänger von Schöpfungslehren können bestenfalls zeigen, dass jede Struktur eine Funktion haben kann. Im Evolutionsmodell wird lediglich gefordert, dass eine Struktur nicht so viel 'kostet', dass sie wegfallen muss, weil der Organismus sonst aussterben würde. Es dürfte zudem sehr schwierig sein, zu zeigen, dass Strukturen, die wir als 'planmäßig' bezeichnen, nicht auch naturalistisch entstanden sein können.

Können geologische Schichten schnell gebildet werden?

Gezeigt werden müsste, dass es keine geologischen Schichten gibt, die langsam gebildet werden. Selbst wenn gezeigt werden könnte, dass alle geologischen Schichten bis auf eine innerhalb eines Jahres abgelagert wurden, bis auf eine, die für die Ablagerung 1 Jahrmillion brauchte, wäre der Kurzzeit-Kreationismus widerlegt. Die Frage ist nicht, ob die Schichten schnell oder langsam abgelagert werden können (in der Geologie wird davon ausgegangen, dass es beides gibt), sondern ob die Gesamtdauer für die Ablagerung aller Schichten in den zeitlichen Rahmen passt, den der Kurzzeit-Kreationismus vorgibt.

Kann allen Organen und Strukturen der Lebewesen eine Funktion zugewiesen werden, abgesehen von mikroevolutiven Degenerationserscheinungen und Fällen besonderer Ästhetik?

Dieser Test betrifft lediglich die Schöpfungslehre: die Auffassung von einem perfekten Designer ist nicht vertetbar, wenn seine Geschöpfe 'Pfusch' in Form von funktionslosen Strukturen enthalten. Im Rahmen der Evolutionsauffassung besteht kein zwingender Zusammenhang zwischen Struktur und Funktion: durch Entwicklungszwänge beispielsweise können auch Strukturen ohne Funktion entstehen oder zumindest erhalten bleiben. Im Rahmen der Evolutionsvorstellung sind daher Strukturen ohne Funktion durchaus zu erwarten, es spricht aber nichts gegen eine (Rest-)Funktion. Ein Aufzeigen einer möglichen Funktion für jede Struktur ist daher keine Stütze für eine Schöpfungslehre, sondern eine zu erfüllende Voraussetzung.

Die Tabelle mag vielleicht auf den ersten Blick den Anschein erwecken, als böte das Schöpfungsmodell Testkriterien in ähnlicher Weiser wie naturalistisch orientierte Modelle. Wie ich gezeigt habe, ist das nicht der Fall. Der Kurzzeit-Kreationismus hingegen bietet durchaus die Möglichkeit, testbare Fragestellungen abzuleiten.

[ Übersicht ]

Was ist eigentlich Kurzzeit-Kreationismus?

Der Kurzzeit-Kreationismus ist eine ganz konkrete Schöpfungsvorstellung aus der großen Zahl möglicher Schöpfungsmodelle. Das bedeutet, dass ein Befund, der als Schöpfung zu deuten ist, noch lange kein Argument für den Kurzzeit-Kreationismus zu sein braucht. Der Kurzzeit-Kreationismus wird im 'Evolutionsbuch' wie folgt charakterisiert:

Kurzzeit-Schöpfungslehren. Schließlich geht die durch die Medien unter dem Schlagwort "Kreationismus" besonders bekannt gewordene Schöpfungslehre davon aus, daß die Heilige Schrift nicht nur in Fragen der Schöpfung, sondern auch bezüglich des Ursprungs von physischem Tod, Leid und Katastrophen in der Schöpfung für die Rekonstruktion der Geschichte der Lebewesen relevant ist. Die in den ersten elf Kapiteln des Genesisbuches (dem ersten Buch der Bibel) geschilderte "biblische Urgeschichte" wird als reale Menschheitsgeschichte verstanden und für das Verständnis der Geschichte des Lebens vorausgesetzt. Demzufolge werden Adam und Eva nicht nur als historische Personen, sondern auch als die Stammeltern der Menschheit aufgefaßt. Ebenso werden der Sündenfall und die Sintflut als geschichtliche Ereignisse angesehen. Grundlegend für diese Form der Schöpfungslehre sind alt- sowie neutestamentliche Textbelege über den physischen Tod als Ausdruck des Gerichtshandelns (und nicht des Schöpfungshandelns) Gottes: Der physische Tod ist eine Konsequenz der Sünde des Menschen, d. h. seiner Abkehr vom Schöpfer. Damit steht diese Form der Schöpfungslehre im fundamentalsten aller Widersprüche zur Makroevolution - dort ist der Tod notwendig für jede evolutive Höherentwicklung und daher positiv zu bewerten.

Theologischer Hintergrund der Kurzzeit-Schöpfungslehren ist vor allem die Theodizee-Frage (das ist die Frage nach dem Ursprung und der Bedeutung von Leid und Tod in der Welt). Erdgeschichtlich gesehen gibt es zahlreiche unbestreitbare Zeugnisse des (gewaltsamen) Todes, beispielsweise menschliche Fossilien im Pliozän. Diese müssen damit nach Adam und Eva datiert werden, da deren Sünde den Tod verursachte. Wenn dies auch noch für den Tod der Tiere akzeptiert wird, ergibt sich die theologisch begründete Notwendigkeit, die paläontologischen Zeugnisse der Naturgeschichte der Tiere und des Menschen in einem Kurzzeitrahmen zu deuten. Das erweist sich im Detail als schwierig [ ... ]; wissenschaftlich gesehen sind damit wesentliche Hauptfragen der Kurzzeit-Schöpfungslehre thematisiert. (Evolution S. 273, Hervorhebungen im Original, T.W.)

Diese Auffassung wurde im Zusammenhang wiedergegeben, weil man sie komplett lesen sollte. Es wird deutlich, dass hier vor allem theologisch argumentiert wird. Meine Kompetenz in Theologie reicht nicht aus, zu beurteilen, ob die spezifische Exegese biblischer Texte, auf die sich die Anhänger des Kurzzeit-Kreationismus beziehen, gültig ist. Innerhalb des Spektrums der christlichen Theologie stellt der biblizistisch orientierte Kurzzeit-Kreationismus allerdings eher eine Außenseiter-Position dar. Für uns ist allerdings vor allem bedeutsam, dass aus diesen Auffassung im Rahmen der Naturwissenschaften prüfbare Aussagen folgen. In dem hier interessierenden Zusammenhang ist dieser Satz von besonderer Bedeutung.

Der physische Tod ist eine Konsequenz der Sünde des Menschen, d. h. seiner Abkehr vom Schöpfer. (Evolution, S. 273)

Wenn man diesen Satz zu Ende denkt (was auch die Autoren tun), folgt zwingend, dass beispielsweise der erste Mensch erschaffen worden sein musste, bevor das erste Lebewesen fossil erhalten wurde: es ist ja als Leiche eingebettet worden. Vor der Sünde von Adam und Eva konnte es nach dieser Auffassung keinen Tod geben. Daher ist, streng genommen, jedes Fossil, von dem man zeigen kann, dass es vor dem ersten Menschen abgelagert wurde, eine Widerlegung der obigen Auffassung.

[ Übersicht ]

Prüfbare starke Vorhersagen des Kurzzeit-Kreationismus

Ich werde im Folgenden die These vertreten, dass der Kurzzeit-Kreationismus im Gegensatz zu den eher nebulösen allgemeinen Schöpfungsvorstellungen die Ableitung von starken testbaren Fragestellungen ermöglicht, dass konkrete Tests möglich sind und dass sie durchgeführt wurden. Als eindeutiges Ergebnis hat sich gezeigt, dass der Kurzzeit-Kreationismus widerlegt ist.

Aus den obigen (und anderen, hier nicht ausgeführten Aussagen von Kurzzeit-Kreationisten) folgen (mindestens) drei starke prüfbare Vorhersagen:

Die Erde ist jung

In den für den 'säkularen Raum' verfassten Arbeiten findet man meist keine konkreten Zahlenangaben für das Alter der Erde. Es dürfte aber unstrittig sein, dass Kurzzeit-Kreationisten von Erdaltern ausgehen, die bestenfalls im Rahmen von einigen 10.000 Jahren liegen. Das gesamte Universum ist nach dieser Vorstellung, im Gegensatz zu den Erkenntnissen der Kosmologie, zudem nur unwesentlich älter als die Erde. Daraus folgt: jeder Prozess, von dem gezeigt werden kann, dass er mehr als einige 10.000 Jahre benötigt, widerlegt den Kurzzeit-Kreationismus.

Es gibt viele derartige Phänomene, beispielsweise Warven, Baumringe oder Jahresringe in Eisbohrkernen. Die radiometrische Datierung von Gesteinen ergibt Erdalter, die im Bereich von Jahrmilliarden liegen. Selbst wenn diese Messungen um 99,9 Prozent zu hoch sein sollten, wäre der Kurzzeit-Kreationismus immer noch widerlegt. Ein Beweis für eine alte Erde, der mit sehr wenig Annahmen auskommt, besteht im Vorkommen radioaktiver Elemente in der Erdkruste.

Es gab eine weltweite Sintflut

Eine derartige Katastrophe, wie sie als Sintflut in der Bibel beschrieben ist (diese Flut, die zu einer Zeit erfolgte, als schon Menschen lebten, bedeckte angeblich alle Berge, dauerte ein Jahr und vernichtete alles Leben mit Odem außerhalb der Arche), hätte mit Sicherheit Spuren auf der Erdoberfläche hinterlassen. In Geologie-Büchern sucht man diese vergebens. Eine Fülle von Beobachtungen aus verschiedensten Bereichen der Wissenschaften lässt sich mit einem derartigen Ereignis nicht vereinbaren.

Alle Grundtypen wurden gleichzeitig erschaffen

Daraus wäre abzuleiten, dass man alle Lebensformen, zumindest die Grundtypen, prinzipiell in allen geologischen Schichten finden kann. Ein Befund, dass es wie auch immer definierte Grundtypen gibt, ist deshalb noch keine Stütze für diese Auffassung. Der Fossilbefund jedenfalls zeigt eindeutig: man findet jeden Lebensform-Typ erst ab einer bestimmten Schicht. Selbst wenn es Grundtypen gäbe, wären sie nicht gleichzeitig erschaffen worden.

Die Autoren des 'Evolutionsbuchs' stehen daher vor dem Problem, dass die Grundlagen ihrer Arbeit nach den üblichen Standards wissenschaftlicher Argumentation nicht haltbar sind. Wichtiger als das Aufzeigen von Problemen in der Argumentation von naturalistisch orientierten Evolutionsforschern oder dem Plädoyer für eine Berücksichtigung von Schöpfung in irgendeiner Form scheint mir zu sein, dass die Kurzzeit-Kreationisten erst einmal klären, ob ihr Ansatz in einer wissenschaftlichen Diskussion überhaupt haltbar ist. Im Gegensatz zu einer theologisch orientierten Diskussion kann hier nicht auf Wunder rekurriert werden.

Aussagen zur Begründung Kurzzeit-Kreationismus im Evolutionsbuch

Die Autoren des 'Evolutionsbuch's befinden sich in der Defensive: sie können zwar sachliche Kritik an Evolutionsmechanismen äußern und sogar Hinweise darauf geben, wie eine Schöpfungs-Alternative aussehen könnten. Bestenfalls gelangen sie dadurch so weit, dass sie dafür plädieren können, dass man Befunde, die man naturalistisch mehr oder weniger plausibel deuten kann, auch unter dem Gesichtspunkt einer Schöpfung sehen kann. Die Frage ist natürlich, ob das Sinn macht. Die Autoren sind aber zudem Kurzzeit-Kreationisten. Wie oben schon dargestellt, sind ihre Grundannahmen, die testbare Fragestellungen ermöglichen, widerlegt. Im folgenden soll näher dargestellt werden, ob und wie sich die Autoren im 'Evolutionsbuch' zu diesen Punkten äußern.

Die Erde ist jung

Den Autoren des 'Evolutionsbuchs' ist bekannt, dass die Frage nach dem Alter der Erde eine wichtige Rolle für die Diskussion spielt. Sie weisen aber darauf hin, dass im Rahmen des 'Evolutionsbuchs' nicht näher auf diese Fragen eingegangen wird.

Weil die Paläontologie eng mit der Geologie gekoppelt ist, ergeben sich in diesem Zusammenhang auch Fragen zur Länge der erdgeschichtlich verflossenen Zeit. Auf erdgeschichtliche Fragen wird in diesem Buch zwar nicht näher eingegangen, doch sollen in den nachfolgenden Abschnitten einige Hinweise zur Frage der Bildungsdauer der die Fossilien bergenden Gesteine gegeben werden. Für Betrachtungen Im Evolutionsmodell sind diese Fragen insofern von Bedeutung, als für eine Makroevolution große Zeiträume erforderlich sind. In den Gesteinen sollten sich Hinweise darauf finden. (Evolution S. 204, Hervorhebung im Original, T.W.)

Selbstverständlich fehlt hier auch nicht der Hinweis, der schon Darwin im Zusammenhang mit der Abschätzung des Alters der Erde durch Lord Kelvin beunruhigte: für eine Evolution muss eine hinreichende Zeit vorhanden sein. Um diese Frage geht es in diesem Zusammenhang jedoch nicht, genauso wenig um die Frage, ob man in den Gesteinen Übergangsformen findet. Die Frage ist, ob die 'Länge der erdgeschichtlich verflossenen Zeit' in Jahr(zehn?)tausenden oder Jahrmilliarden gemessen wird.

Die Autoren räumen explizit ein, dass ein junges Alter der Erde hauptsächlich theologisch motiviert ist:

Im Rahmen der "Kurzzeit-Schöpfungslehre" [ ... ] gibt es Versuche, im Sinne des früheren Katastrophismus die gesamte Erdgeschichte in einen kurzen, in maximal Jahrzehntausenden von Jahren zu bemessenen Zeitraum einzuordnen. In diesem Sinne werden vor allem Beispiele angeführt, die auf eine sehr rasche Bildung von Gesteinsstrukturen hinweisen. [ ... ] Dieser hauptsächlich theologisch motivierte Ansatz stößt bislang auf eine Reihe ungelöster Probleme, die auch mit radiometrischen Altersbestimmungen zusammenhängen. Die damit verbundenen geologischen und geophysikalischen Probleme können im Rahmen eines Biologielehrbuchs jedoch nicht angemessen besprochen werden. Ihre Behandlung muß einem kritischen Lehrbuch zur Erdgeschichte vorbehalten bleiben. (Evolution S. 207, Hervorhebung im Original, T.W.)

Die Aussage, dass dieser Ansatz auf 'eine Reihe ungelöster Probleme' stößt ist noch extrem euphemistisch formuliert. Fakt ist, dass es bislang keinerlei Möglichkeit gibt, im Rahmen des anerkannten Faktenwissens der Naturwissenschaften eine junge Erde zu vertreten. Um ein junges Erdalter plausibel machen zu können, müsste man die komplette Physik über den Haufen werfen, denn die Grundlagen der radiometrischen Datierung beruhen auf fundamentalen Naturgesetzen. Natürlich sind die damit verbundenen Probleme nicht im Rahmen eines Biologie-Lehrbuchs abzuhandeln, aber man sollte als Fakt ganz klar festhalten, dass ein Kurzzeit-Kreationismus als ernsthafte Alternative erst dann vertreten werden kann, wenn diese Frage gelöst ist. Die in den Abbildungen dargestellten Fälle von schnellen Ablagerungen, auf die im Text verwiesen wird, sind in diesem Zusammenhang wenig hilfreich: es geht nicht darum, ob einzelne Schichten schnell abgelagert wurden, sondern darum, wie alt die Erde ist.

Es gab eine weltweite Sintflut

Bitte beachten Sie bei den folgenden Ausführungen, dass 'Sintflut' ein Fachbegriff ist und in dem Sinn verwendet werden muss, den ich oben angegeben habe.

In einer Box, die vom eigentlichen Text deutlich abgesetzt ist, schreiben die Autoren:

Schöpfung, Sündenfall und Sintflut als außerwissenschaftliche Glaubensvoraussetzungen

Im Rahmen des an der biblischen Überlieferung orientierten Schöpfungsmodells kann man vermuten, daß Sündenfall und Sintflut enorme geologische Auswirkungen hatten, indem sie über längere Zeit eine Abfolge nach und nach schwächer werdender Ausklingkatastrophen bewirkt haben. Diese Annahme ist eine Grenzüberschreitung über den Aussagebereich der Geologie und Paläontologie hinaus; sie muß daher als solche ausdrücklich kenntlich gemacht werden. Die Strukturen von Sedimentgesteinen liefern zwar deutliche Hinweise auf katastrophische Bildungen [ ... ],doch ist auf dieser Ebene kein Rückschluß auf eine übernatürliche Ursache der Katastrophen möglich. Grenzüberschreitungen werden in den Naturwissenschaften häufig vorgenommen, sobald es um die Deutung vergangener Prozesse geht; sie gehören also"zur Natur der Sache" und sind oft unvermeidbar [ ... ]; das gilt auch für evolutionstheoretisch orientierte Deutungen, die übernatürliche Einflüsse kategorisch ausschließen. (Evolution S. 283)

Diese Darstellung ist ein Musterbeispiel für das Vermengen von Befunden, die nichts miteinander zu tun haben. Auf der einen Seite gibt es die naturwissenschaftlich feststellbaren Phänomene: die Sintflut muss Spuren in der geologischen Schichtenfolge hinterlassen haben, oder es hat eine solche Flut als historisches Ereignis nie gegeben. Dass man diese Spuren nicht findet, räumen selbst kreationistische Autoren ein. In Kreisen der Sintflutforscher herrscht nicht einmal Klarheit darüber, welche geologische Schichten durch die angebliche Sintflut abgelagert wurden. In der naturwissenschaftlich orientierten Geologie spielt die Frage nach einer Sintflut längst keine Rolle mehr. Diese Fragen werden in einem von Autoren der Studiengemeinschaft Wort und Wissen, also Kurzzeit-Kreationisten, verfassten Buch in sehr aufschlussreicher Form diskutiert.

Auf der anderen Seite kann man die Frage diskutieren, ob ein solches Ereignis übernatürliche Ursachen haben könnte. Diese Frage braucht man sich aber erst dann zu stellen, wenn geklärt ist, ob dieses Ereignis tatsächlich stattgefunden hat. Die Autoren erwähnen hier nicht explizit, dass die Vorstellung einer Sintflut bestenfalls theologisch begründet ist.

Die Autoren sind allerdings so aufrichtig, dass sie explizit darauf hinweisen, dass man aus der Tatsache, dass in der Geologie inzwischen auch Katastrophen wieder hoffähig geworden sind (es ist beispielsweise sehr interessant, in der Fachliteratur die Diskussion um die Theorie, dass ein Meteorit das Aussterben der Dinosaurier (mit)verursachte, zu verfolgen), noch lange nicht folgern darf, dass jeder Text, in dem der Begriff 'Katastrophe' vorkommt, mit diesem Begriff die Sintflut meint.

In den letzten Jahrzehnten haben unter dem Druck von Geländebefunden "katastrophistische" Deutungen jedoch wieder Einlaß in die Geologie gefunden. Da die Forscher mit den Begriffen Aktualismus, Uniformitarismus und Katastrophismus wegen den oftmals zugrundeliegenden weltanschaulichen Ansichten zum Teil bis heute verschiedene Vorstellungen verbinden, ist ein vorsichtiger Gebrauch dieser Bezeichnungen ratsam. (Evolution S. 207)

Der Kurzzeit-Kreationismus ist aber, wie die Autoren explizit angeben, auf eine Sintlflut angewiesen:

Im Kurzzeit-Schöpfungsmodell wird ebenfalls davon ausgegangen, daß Grundtypen durch Schöpfungsakte entstanden sind. Allerdings werden diese Schöpfungsakte gemäß der konservativen Auslegung des Schöpfungsberichtes in eine "Anfangsschöpfung" gelegt, sie erfolgten damit geologisch gesehen "gleichzeitig". Die zu beobachtende Regelhaftigkeit der Fossilüberlieferung müßte dann andere Gründe haben. Kurzzeit-Schöpfungsmodelle sind generell auch "katastrophische" Modelle, denn sie rechnen mit einer oder mehreren regionalen bis globalen Katastrophen in der Erdvergangenheit, welche für die Fossilbildung letztlich verantwortlich gemacht werden. (Evolution S. 280)

Das bedeutet, dass der Fossilbefund, so wie er von den naturalistisch orientierten Evolutions-Forschern interpretiert wird, den Kurzzeit-Kreationismus widerlegt: in diesem Rahmen ist kein Platz für die Argumente einer so verstandenen Schöpfungsforschung. Das hat aber wiederum zur Folge, dass der Kurzzeit-Kreationismus nicht vertretbar ist, solange eine Sintflut nicht erwiesen ist.

Beim Studium der geologischen und paläontologischen Fakten stellt sich je länger je deutlicher heraus, daß die ausgestorbenen Lebewesen nicht aufgrund ihrer "Primitivität" langsam im Konkurrenzkampf verschwanden, sondern daß unsere Erde in der Vergangenheit Schauplatz gewaltiger Prozesse war, die in ihrem Ausmaß nicht mit dem heute ablaufenden Geschehen verglichen werden können. Im Schöpfungsmodell werden diese für die Auslöschung einzigartiger, hochkomplexer und von Anfang an fertiger Faunen und Floren, ja ganzer Ökosysteme verantwortlich gemacht. (Evolution S. 284)

Natürlich gab es in der Erdgeschichte auch 'Massensterben' aufgrund von Umweltveränderungen, die so gravierend waren, dass sich bestimmte Lebensformen zumindest nicht schnell genug an diese Bedingungen anpassen konnten und ausstarben. Es liegt an der Schöpfungslehre, zu zeigen, dass diese Änderungen der Umwelt wirklich so dramatisch waren. Auch ein langsamer Prozess, der sich über Jahrhunderttausende hinzieht und dabei Änderungen der Umwelt mit sich bringt (beispielsweise die Bildung eines 'Superkontinents' durch Kontinentalverschiebung, der viele artenreichen Flachwasser-Zonen verschwinden lässt), an den sich Lebensformen nicht anpassen können, löscht ganze Faunen und Floren aus. Entscheidend ist für die Möglichkeit, Sintflut zu vertreten, zudem, dass gezeigt werden kann, dass alle 'gewaltigen Prozesse' der Erdgeschichte gleichzeitig erfolgten.

Der Hinweis auf 'Primitivität' ist eher ein Ablenkungsmanöver: die (an die konkrete Umweltsituation) besser angepassten Organismen haben mehr Nachkommen und setzen sich deshalb durch. Mit 'primitiv' oder 'forschrittlich' hat das wenig zu tun.

Als Fazit bleibt, dass auch eine Sintflut lediglich theologisch begründet werden kann. Es gibt weder einen Anhaltspunkt, dass alle Katastrophen, die in der Erdgeschichte stattfanden, mehr oder weniger gleichzeitig erfolgten, noch, dass für das Aussterben komplexer Lebensgemeinschaften immer Katastrophen erforderlich sind.

Alle Grundtypen wurden gleichzeitig geschaffen

Die sogenannte Grundtypen-Biologie ist nach Darstellung der Autoren die bisher am besten ausgearbeitete Teil-Theorie der Schöpfungs-Forschung. Bei näherer Betrachtung sind deren Ergebnisse prinzipiell nicht geeignet, den Kurzzeit-Kreationismus zu stützen.

Die Autoren setzen Grundtypen explizit mit den 'geschaffenen Arten' in der Bibel gleich:

Im Rahmen von Schöpfungsvorstellungen werden diese empirischen Befunde in einen Deutungsrahmen gestellt, indem Grundtypen als Schöpfungseinheiten aufgefaßt werden. Es bietet sich an, Grundtypen mit "geschaffenen Arten" gleichzusetzen [ ... ]. Jedoch hat eine solche Annahme nur hypothetischen Charakter. So ist nicht genau zu klären, was die biblischen Texte unter "geschaffenen Arten" verstehen. Außerdem könnten neue Ergebnisse der biologischen Forschung eine andere Lösung nahelegen. Doch bislang lassen sich die Ergebnisse der Grundtypforschung befriedigend im Sinne der o.g. Gleichsetzung deuten. Die deutliche Abgrenzbarkeit von Grundtypen kann als Hinweis für die Existenz geschaffener Einheiten gewertet werden. (Evolution S. 284)

Wie die Autoren richtig sagen, kann man diese Grundtypen als Hinweise auf die Existenz geschaffener Arten werten. Man muss das aber nicht, man kann sie auch als 'constraints' von evolutiv entstandenen Bauplänen betrachten. Das heißt, das, was an Grundtypen erforschbar ist, lässt sich problemlos in das naturalistische Weltbild einbauen.

Aus einem ganz anderen Grund ist das Grundtypen-Modell als solches aber für die Kurzzeit-Kreationisten wertlos: es müsste vor allem gezeigt werden können, dass die Grundtypen gleichzeitig erschaffen wurden. Diese Auffassung ist angesichts des Fossilbefunds, zumindest so lange, bis nachgewiesen ist, dass die Schichtenfolge durch eine Sintflut entstand, nicht haltbar.

Als Postulat wird hinsichtlich der Grundtypen wird zwar aufgeführt:

Die Grundtypen wurden (geologisch gesehen) gleichzeitig ins Dasein gerufen. (Evolution, Tabelle 15.1 S. 274)

Diese Aussage verwundert: die Grundtypen wurden, wenn man die Aussagen vieler Kreationisten ernst nimmt, innerhalb eines 24-Stunden-Tages erschaffen. Der Ausdruck 'geologisch gesehen' wird in der Evolutions-Literatur üblicherweise gebraucht, wenn man andeuten will, dass es sich um Zeiträume handelt, die mindestens Jahrzehntausende (aber eben nicht die üblichen Zeiträume, die man in der Geologie in Jahrmillionen misst) dauerten.

Eine andere Passage, die zunächst im Zusammenhang wiedergegeben und dann näher analysiert werden soll, gibt einen gewissen Hinweis auf diese Problematik:

Es muß postuliert werden, daß beispielsweise Angehörige von typischen Lebensgemeinschaften, die man fossil erst aus dem Tertiär kennt, die Zeit der katastrophischen Ablagerung mesozoischer Schichtglieder nur als kleinste Gruppen überstanden. Sie konnten sich erst in einem für sie besser geeigneten, späteren Sukzessionsstadium (nämlich im Tertiär) stark vermehren, weltweit ausbreiten und damit eher fossilisiert werden. Die Wahrscheinlichkeit zur Fossilisation war jedoch vorher aufgrund der kleinen Populationen zu gering, so daß Reste dieser Refugien der Nachwelt nicht erhalten blieben. Die hier geforderten kleinsten Gesellschaften nicht fossilisierter, aber nichtsdestotrotz vorhandenen Organismen haben eine verblüffende Ähnlichkeit mit den von der Evolutionslehre zahlreich postulierten, sehr kleinen und deshalb ebenfalls nicht fossil dokumentierten Übergangs-Randpopulationen. In diesen soll schnelle Evolution, nämlich die Bildung aller neuen Organisationsstufen und Grundtypen abgelaufen sein [ ... ]. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß an zentralen fraglichen Stellen in den Hypothesengebäuden von Kurzzeit-Schöpfungslehre und Makro-Evolutionslehre gleichartige Argumentationsstrategien zur Stützung der Modelle benutzt werden. (Evolution, S. 282f)

Wenn die Grundtypen wirklich gleichzeitig am selben Tag der Schöpfungswoche erschaffen wurden, müssen sie, zumindest theoretisch, in allen geologischen Schichten vorkommen. Die einzige mögliche Alternative, eben dieses Fehlen zu erklären, beruht darauf, dass diese Wesen zwar vorhanden waren, aber eben nicht gefunden werden:

Es muß postuliert werden, daß beispielsweise Angehörige von typischen Lebensgemeinschaften, die man fossil erst aus dem Tertiär kennt, die Zeit der katastrophischen Ablagerung mesozoischer Schichtglieder nur als kleinste Gruppen überstanden. (Evolution, S. 282f)

Selbst diese Aussage greift noch zu kurz: alle Grundtypen müssen schon von Anbeginn der Erde da gewesen sein. Die Frage ist nicht nur, warum man die bisher nie gefunden hat. Es ist äußerst fraglich, ob sie zu Zeiten, als die ersten Fossilien abgelagert wurden, überhaupt existieren konnten. Aus bestimmten Eigenschaften dieser Gesteinsschichten kann man beispielsweise ableiten, dass die Atmosphäre kaum freien Sauerstoff enthielt. Grundtypen, die wie beispielsweise solche der Säugetiere, auf Sauerstoff in der Atemluft angewiesen waren, hätten auch in kleinsten Populationen so nicht überleben können. Zudem hatte das Fehlen von Sauerstoff in der Atmosphäre zur Folge, dass sich kein Ozon-Schild bilden konnte. Leben auf dem Land war deshalb lange Zeit nicht möglich. Wo hätten die Grundtypen, die landlebend waren, überleben können?

Der Hinweis, dass auch Evolutionsauffassungen mit Fossillücken argumentieren, ist aus folgendem Grund nicht stichhaltig: in allen diesen Fällen kennt man die Vorläufer und die Nachfahren der untersuchten Gruppen. Unklar ist lediglich, wie der Übergang erfolgte. Die Fossil-Lücken, auf die sich die Kurzzeit-Kreationisten beziehen, sind vollkommen anderer Natur: sie postulieren, dass die Grundtypen, die beispielsweise Hunden, Affen oder Entenvögeln entsprachen, schon zu Beginn der Erschaffung der Lebensformen, also zu Beginn der Zeit, in der die ersten Fossilien vorhanden waren, durchgängig auf der Erde lebten. Die Wahrscheinlichkeit, dass doch irgend eines dieser Wesen fossil erhalten blieb, ist ungleich größer als die, dass ein Mitglied einer Population, die den Übergang von einer Lebensform zur nächsten darstellte und nur kurze Zeit existierte, aufgefunden wird.

Als Fazit lässt sich ziehen, dass das Grundtypen-Modell kein Argument gegen die Widerlegung des Kurzzeit-Kreationismus durch den Fossilbefund darstellt.

[ Übersicht ]

Fazit: Was kann dieses Buch erreichen?

Die Ziele, die sich das 'Evolutionsbuch' gesteckt hat, findet man in einer Kurzinformation des Zentrums für Wissenschaft und kritisches Denken treffend dargestellt:

Der "wissenschaftliche" Kreationismus hat zwei Hauptanliegen, ein destruktives und ein konstruktives. Das destruktive besteht insbesondere darin, Erklärungslücken und andere Defizite der Evolutionstheorie aufzudecken, um so deren Status als Zentraltheorie der Biologie zu schwächen. So wird etwa behauptet, die Evolutionstheorie könne die Entstehung qualitativer Neuheit und damit die so genannte Makroevolution nicht erklären. Das konstruktive Ziel besteht darin, eine über die Aussagen der Genesis hinausgehende Schöpfungstheorie zu entwickeln, die der Evolutionstheorie als Alternative mit angeblich größerer Erklärungskraft gegenübergestellt werden kann. (Mahner 2001, Hervorhebungen von mir, T.W.)

Der 'destruktive' Teil des Buchs (auf den ich hier nicht eingegangen bin) ist nach meiner Einschätzung recht gut gelungen. Die relevanten Tatsachen werden meist objektiv dargestellt und die Probleme des Ansatzes einer naturalistischen Evolution werden klar aufgezeigt. Der sachliche Stil hebt dieses Buch sehr wohltuend von den meist eher polemischen kreationistischen Schriften ab. Dass diese Probleme (vor allem das Problem der Makroevolution) aber nicht so schwerwiegend sind, dass man nun den naturalistischen Ansatz aufgeben muss, habe ich an anderer Stelle etwas ausführlicher dargestellt.

Um den 'konstruktiven' Teil des Buchs zu würdigen, muss man ganz klar differenzieren, ob es um eine allgemeinene Schöpfungslehre oder um die spezielle Form des Kurzzeit-Kreationismus geht, den die Autoren in anderen Arbeiten vertreten. Die Autoren konnten in ihrem 'destruktiven' Teil zwar darstellen, dass es Detail-Probleme innerhalb der naturalistischen Auffassung gibt. Sie konnten zudem zeigen, dass man bestimmte Befunde auch schöpfungstheoretisch interpretieren kann. Es gelang mir aber nicht, herauszufinden, welchen Vorteil eine derartige Sicht der Dinge bieten könnte. Wenn man mit den von den Autoren anerkannten Kriterien (Theorien müssen prüfbar sein) an die Welt herangeht, macht die Annahme eines Schöpfers wenig Sinn: er entzieht sich unseren Erkenntnismöglichkeiten. Eine Begründung für die Annahme eines Schöpfers kann meiner Meinung nach nur theologisch erfolgen, im Rahmen der naturalistischen Naturwissenschaften ist er nicht möglich.

Betrachtet man dagegen die Darstellung des Kurzzeit-Kreationismus, der den 'apologetischen' Teil des Buchs ausmacht, also eine Widerlegung der Einwände gegen den Kurzzeit-Kreationismus, kann das Buch nicht überzeugen. Die Autoren geben expressis verbis zu, dass ihr Ansatz Probleme birgt. Das ist aber noch sehr euphemistisch formuliert, denn bevor die apologetische Arbeit, die im Prinzip einem Umschreiben der gesamten Erkenntnisse der Naturwissenschaften entspricht, nicht geleistet ist, sind alle weiter gehenden Überlegungen, wie beispielsweise das Erarbeiten eines Grundtypen-Modells, wenig sinnvoll.

Der derzeitige Stand der Dinge ist, dass der Kurzzeit-Kreationismus prüfbare Aussagen macht und durch diese Prüfung widerlegt ist. Darüber können weder Probleme der naturalistischen Evolutionslehre noch die Möglichkeit einer alternativen Deutung gewisser Befunde im Rahmen einer eher nebulösen Schöpfungsforschung hinwegtäuschen.

[ Übersicht ]

Anmerkung

Ich danke Herrn Mahner für die kritische Durchsicht einer Rohfassung und seine hilfreichen Anmerkungen.

Literaturangaben

Junker, R.; Scherer, S.; (Hrsg.), (2001) 'Evolution. Ein kritisches Lehrbuch. 5., aktualisierte Auflage' Gießen, Weyel

Mahner, M. (2001) 'Kreationismus (Kurzinformation des Zentrums für Wissenschaft und kritisches Denken)' Roßdorf, GWUP

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E-Mail an Thomas Waschke an Thomas Waschke Stand: 26. November 2001