Wenn ich mir einen Rucksack umschnalle und auf den Apfelbaum im Garten klettere, habe ich den ersten Schritt zur bemannten Raumfahrt gemacht. Ich bin zweifellos meinem Ziel (von der Erdoberfläche in Richtung Weltall abzuheben) einen Schritt näher gekommen.
Mit diesem Beispiel will ich ausdrücken, dass der erste (mögliche) Schritt in die richtige Richtung noch lange nicht bedeutet, dass ein Ziel auf diese Weise erreichbar ist.
In Diskussionen mit Kreationisten hören Sie oft Argumente wie: 'Man konnte zeigen, dass bestimmte Prozesse, von denen man früher annahm, sie bräuchten sehr lange, wesentlich schneller ablaufen können.' Wenn Sie hartnäckig sind und die betreffenden Daten ermitteln, finden Sie möglicherweise, dass man einen Prozess, für den man früher 10 Jahrmillionen ansetzte, nun für in 9 Jahrmillionen durchführbar hält. Wenn man davon ausgeht, dass die Erde bestenfalls wenige 10.000 Jahre alt sein soll, ist ein Prozess, der 10 Jahrmillionen benötigte, natürlich vernichtender als einer, der 'nur' 9 Jahrmillionen dauert. Dem eigentlichen Ziel jedoch, zu zeigen, dass die Erde bestenfalls wenige 10.000 Jahre alt ist, ist man diesem Ziel allerdings nur unwesentlich näher gekommen.
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Im Prinzip ist das die 'Diktatur der beiden Alternativen'. Jeder komplexe Zusammenhang (es gibt viele Tage im Jahr) wird letztendlich auf zwei Alternativen ('Ostern' oder 'Weihnachten' reduziert. Das hat natürlich den Vorteil, dass man leicht argumentieren kann: wenn man die eine Alternative widerlegt hat ('heute ist nicht Ostern'), ist die andere ('heute ist Weihnachten') bewiesen.
In den meisten Fällen ist das Leben aber nicht so einfach. Die Alternative 'Evolution oder Schöpfung' ist ein gutes Beispiel. Es gibt sowohl innerhalb der Evolutionsauffassung ein gewaltiges Spektrum von Standpunkten, dasselbe gilt für die Schöpfungsauffassung. Es gibt darüber hinaus sogar noch Haltungen, die von einer Schöpfung durch Evolution ausgehen. Konkret folgt daraus, dass die Widerlegung einer Auffassung innerhalb der Evolutionsvorstellung (beispielsweise des Gradualismus) noch lange nichts darüber aussagt, welche der vielen anderen Alternativen im Rahmen des Evolutionsmodells oder gar des Schöpfungsmodells denn nun die richtige ist. Für die Kontroverse zwischen Evolutions- und Schöpfungsauffassung folgt durch die Widerlegung einer bestimmten Alternative auf jeden Fall zunächst einmal gar nichts.
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an Thomas Waschke | Stand: 15. November 2001 |