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Vorbemerkung (Nachtrag Januar 2004) | |
Arbeitsgruppe 'Wissenschaftstheorie' | |
Einwände gegen eine Schöpfungsforschung | |
Warum ist Lakatos' Auffassung von Wissenschaftstheorie für die Schöpfungsforschung brauchbar? | |
Kernpunkt: Unterschied zwischen Schöpfungsforschung und naturalistischer Forschung | |
Veranschaulichung: Grundtypen-Biologie | |
Schöpfungswissenschaft als Hemmschuh | |
Fazit: Schöpfungswissenschaft ist nicht wissenschaftlich |
Reinhard Junker, der Autor des Artikels, den ich im folgenden zur Grundlage meiner Kritik verwende, hat mir freundlicherweise gestattet, diese Arbeit auf meine Site zu kopieren. Ich habe die Passagen, die ich aus dieser Arbeit zitiert habe, dort gekennzeichnet. Hinter jedem Zitat im Text finden Sie einen Link, von dem aus Sie zu dieser Arbeit gelangen können. Sie können so die jeweilige Passage im Textzusammenhang lesen.
Nachtrag Januar 2004: Reinhard Junker hat seinen Artikel inzwischen überarbeitet. Die aktuelle Version finden Sie hier. Lesen Sie bitte auch diese Version des Artikels und vergleichen Sie diese mit der, auf die sich meine Kritik bezog. Zu gegebener Zeit werde ich die neue Version kritisieren.
Herr Junker hat sich inzwischen freundlicherweise die Mühe gemacht, seine Einwände gegen meine Darstellung zu formulieren. Ich habe diese Einwände, zusammen mit den jeweiligen Passagen, auf die sich Junkers Kritik bezieht, in einem anderen Artikel zusammengefasst. Zur Zeit (August 2002) arbeite ich noch an einer Replik auf Junkers Einwände. Sobald diese fertig gestellt ist, werde ich diese einarbeiten. Im folgenden Text, den ich nicht mehr verändern werde, finden Sie an den entsprechenden Stellen Links, mit denen Sie auf die Seite mit Junkers Einwänden gelangen.
Weiter unten im Text wird noch ausführlich darauf eingegangen, in welchem 'engen Sinn' Schöpfungsforschung in diesem Artikel verstanden wird. Wenn nicht anders angegeben, bedeutet 'Schöpfungsforschung' im folgenden stets die von Reinhard Junker (der hier stellvertretend für die Studiengemeinschaft Wort und Wissen und damit für deutsche Kreationisten steht) vertretene Auffassung, die man als 'biblisch orientiert' bezeichnen könnte. An anderer Stelle habe ich diese Haltung als 'wissenschaftlicher Kreationismus' bezeichnet. Viele der Einwände gegen diese 'enge Definition' treffen auf eine eher diffusere Schöpfungsforschung, die beispielsweise im Rahmen einer Evolutionskritik vertreten wird, nicht zu.
[ Übersicht ]
Wie schon die Bezeichnung 'Wort und Wissen' nahelegt, erhebt die Studiengemeinschaft Wort und Wissen den Anspruch, dass ihre Arbeit wissenschaftstheoretischen Normen entspricht. Es wurde sogar eine Fachgruppen eingerichtet, die sich explizit mit Wissenschaftstheorie beschäftigt. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe finden Sie im Internet.
Reinhard Junker hat in diesem Rahmen einen Artikel mit dem Titel '"Harter Kern" und Hilfshypothesen von Forschungsprogrammen in der Schöpfungsforschung' geschrieben, in dem versucht wird, das wissenschaftstheoretische Modell eines Forschungsprogramms von Lakatos (ergänzt durch Chalmers) auf die Schöpfungsforschung anzuwenden. Ich versuche hier nicht, zu beurteilen, ob es Junker gelungen ist, das Lakatos'sche Forschungsprogramm-Konzept auf die Schöpfungsforschung anzuwenden. Es wäre durchaus eine Untersuchung wert, ob Junker beispielsweise jeweils die logischen Ebenen korrekt auseinander hält. Die Evolutionsvorstellung scheint mir keine Theorie, sondern ein Paradigma zu sein. Diese mit einer Theorie von der Reichweite der Grundtypenbiologie zu vergleichen, scheint mir nicht angebracht zu sein.
Für eine derartige Untersuchung bin ich aber nicht kompetent genug. Ich versuche hier herauszuarbeiten, warum eine Schöpfungsforschung nicht mit der üblichen wissenschaftlichen Methodik konkurrieren kann, indem ich die Grundlagen der spezifischen Variante einer Schöpfungswissenschaft, wie sie in Junkers Text dargestellt sind, kritisch hinterfrage. Ich gehe hier nur auf wenige Details von Junkers Darstellung des Ansatzes von Lakatos, die den Hauptteil von Junkers Artikel ausmachen, ein. Sie sollten daher auf jeden Fall den kompletten Artikel im Zusammenhang lesen, falls Sie nachvollziehen wollen, ob meine Einschätzung zutrifft.
[ Übersicht ]
Am Anfang des Artikels stellt Junker die üblichen Einwände gegen eine Schöpfungsforschung zusammen:
Junker geht also davon aus, dass der Schöpfungsfoschung vorgeworfen wird, dass:
Ich werde anhand einer Analyse von Junkers Artikel zu zeigen versuchen, dass genau diese Kritikpunkte berechtigt sind. Wie schon in der Vorbemerkung angesprochen beziehen sich diese Kritikpunkte nicht auf eine eher 'diffuse' Schöpfungsforschung, die sich nicht auf eine wortwörtliche Interpretation der Bibel stützt.
[ Übersicht ]
Junker begründet zunächst, warum er Lakatos' Auffassung von Wissenschaftstheorie für die Schöpfungsforschung aufgreifen kann:
Schon hier wird deutlich, dass eingeräumt wird, dass auf eine dogmatische Festlegung nicht verzichtet werden kann. Nur nebenbei sei erwähnt, dass diese dogmatische Festlegung nicht 'Schöpfung' an sich ist, sondern auf einer ganz spezifischen Interpretation der Bibel beruht. Der grundlegenden Ansatz 'es gibt so viele so genial eingerichtete Strukturen, die naturalistisch nicht erklärt werden können', wird von vielen Gruppen vertreten. Das Spektrum reicht dabei von Atheisten wie Schmidt mit seiner 'kybernetischen Evolution' über mehr oder weniger diffusen Intelligent-Design und theistischen Modelle bis hin zu Vertretern, die sich auf Offenbarungsreligionen stützen. Wenn Sie beispielsweise diese Site durchlesen, werden Sie vermutlich nicht sofort erkennen, dass sie von Muslimen stammt. Sie könnte durchaus auch von Christen oder irgendwelchen Anhängern einer Intelligent-Design-Theorie stammen.
Der grundlegende Unterschied des Ansatzes der Studiengemeinschaft Wort und Wissen zur Vorgehensweise der naturalistischen Wissenschaft ist, dass letztere im Rahmen ihrer Theorien dogmatische Festlegungen nur im Sinne einer Heuristik zulässt. Bestimmte Ansätze haben sich einfach im Lauf der Zeit so bewährt, dass es keinen Sinn macht, sie ohne Grund zu verwerfen. Selbst diese bewährten Festlegungen werden aber aufgegeben, falls hinreichend begründete Forschungsergebnisse dies erfordern. [ Einwand ] Selbstverständlich ist auch der gesamte naturalistische Ansatz nicht sakrosankt. Sollte er sich als mit anerkannten Beobachtungen nicht vereinbar zeigen, wird er selbstverständlich verworfen. [ Einwand ] Es ist die Aufgabe jeder Schöpfungsforschung, zu zeigen, welche Befunde im Rahmen des Naturalismus nicht erklärbar sind. Bisher konnten deren Vertreter noch keine derartigen Befunden aufzeigen. [ Einwand ] Die einzige Rechtfertigung, die Junker für die dogmatischen Setzungen seines Ansatzes bleibt, wäre zu zeigen, dass auch andere Auffassungen auf diese Weise dogmatisch vorgehen. Das ist aber nicht der Fall. [ Einwand ]
Verklausuliert wird hier dargestellt, dass die Schöpfungsforschung in der Defensive ist. Sie kann ihre Auffassung, die biblische Offenbarung in der exegetischen Variante, die die Mitarbeiter der Studiengemeinschaft Wort und Wissen vertreten, nur als Dogma halten, und zwar im expliziten Gegensatz zu den vielen negativen Befunde der Naturwissenschaften, die jede ihrer Grundannahmen widerlegen. Darauf werde ich in diesem Text nicht näher eingehen, weil ich das an anderer Stelle schon ausführlicher getan habe. Beachten Sie bitte auch, dass hier wie in vielen Arbeiten von Schöpfungsforschern darauf hingewiesen wird, wie wenige Personen doch in der Schöpfungsforschung arbeiteten. Das trifft sicher zu. Es kommt aber nicht darauf an, wie viele Menschen an einem Forschungsprogamm arbeiten, sondern darauf, ob es stichhaltig begründet werden kann. Schöpfungsforscher können sich auf alle Arbeiten der jeweiligen Fachleute stützen, denn diese sind jedermann frei zugänglich. Bis auf ganz wenige Ausnahmen gibt es so gut wie keine Forschung von Kreationisten, die darüber hinausgeht, Arbeiten anderer Forscher auszuwerten. Wenn Schöpfungsforscher der Auffassung wären, dass bestimmte Forschungen durchgeführt werden sollten, könnten sie jederzeit Forschungsgelder beantragen. [ Einwand ] Anstatt zu beklagen, wie wenig in Richtung Schöpfung geforscht wird, sollten diese Autoren eine Liste von Forschungsvorhaben aufstellen, die ihrer Meinung nach durchgeführt werden sollten und diese in den jeweiligen Fachforen zur Diskussion stellen. [ Einwand ]
Junker vertritt die Auffassung, dass 'Anomalien', verstanden als Abweichungen zwischen Theorien und Daten, auch in der naturalistischen Forschung durchaus häufig sind und dass sich der Umgang mit diesen Anomalien durch Schöpfungswissenschaftler grundsätzlich nicht von dem der Evolutionsforscher unterscheidet:
Der grundlegende Unterschied der beiden Ansätze besteht in diesem Fall darin, dass es so gut wie keine Ergebnisse gibt, die eine alte Erde oder eine Evolution als Tatsache in Frage stellen würden. [ Einwand ] Genau das Gegenteil ist hinsichtlich der Schöpfungsforschung der Fall: es gibt schlicht und ergreifend keine Befunden, die die Annahme der wesentlichen Grundlagen des Modells von Junker (junge Erde, weltweite Flut, Schöpfungswoche) belegen könnten. [ Einwand ]
Wenn man die oben erwähnte provokante Frage anders herum stellt, ist sie sogar recht konkret beantwortbar: wer würde noch eine Theorie der organischen Evolution aufrecht erhalten, falls gezeigt werden könnte, dass die Erde jung (im Sinne von wenigen 1.000 Jahren) ist? Hier sei daran erinnert, welche Probleme Darwin für seine Selektionstheorie sah, als er erfuhr, dass Lord Kelvin ein Alter der Erde von nur maximal 100 Millionen Jahren errechnet hatte (Details finden Sie beispielsweise in Mayrs 'Die Entwicklung der biologischen Gedankenwelt' auf S. 341 f). Interessant wäre, wie Darwin reagiert hätte, falls Lord Kelvin gezeigt hätte, dass die Erde nur wenige 1.000 Jahre alt ist. Ich vermute, dass Darwin dann seine Theorie aufgegeben hätte. Man muss sich die Zahlen vor Augen halten: Lord Kelvin ging immerhin von einem Erdalter von vielen Jahrmillionen aus. Gegenüber diesem Zeitraum stellen die 6.000 Jahre, von der biblisch orientierte Kreationisten ausgehen, nur Promille-Bereiche dar. Im Gegensatz zu Darwin hätten die Kreationisten schon damals allen Grund gehabt, ihren Standpunkt als widerlegt zu betrachten. Junkers Behauptung scheint mir daher nicht zutreffend zu sein.
[ Übersicht ]
Der wesentliche Unterschied zwischen Schöpfungsforschung und wissenschaftlicher Vorgehensweise scheint mir aber auf einer ganz anderen Ebene zu liegen: wissenschaftliche Vorgehensweise wird nicht durch dogmatisch gesetzte Inhalte, sondern durch eine Methodik charakterisiert.
Sehr klar hat das Hemminger formuliert (der Einwand, auf dem im Text angespielt wird, ist in unserem Zusammenhang nicht wichtig):
Ich werde nun aufzeigen, dass in der Schöpfungsforschung, wie sie von der Studiengemeinschaft Wort und Wissen versucht wird, genau das getan wird: bestimmte Inhalte werden als sakrosankt erklärt. [ Einwand ]
Junker erläutert den Gang des Fortschritt der Forschung nach Lakatos anhand einer Abbildung. In unserem Zusammenhang ist die Legende aufschlussreich:
Abb. 1 (modifiziert nach R. Junker, Leben durch Sterben?, S. 242) soll den Zusammenhang zwischen der biblischen Überlieferung und den durch sie motivierten und darauf basierten Theorien (hier: historischen Rekonstruktionen) der Schöpfungsforschung verdeutlichen. Ausgangspunkt (1) sind die biblischen Texte. In der Schöpfungsforschung wird die Verbindlichkeit dieser Texte für das weitere Vorgehen vorausgesetzt. Die Exegese (2) darf nicht von naturwissenschaftliche Theorien bestimmt werden. Der harte Kern ist jetzt unter Beachtung des exegetischen Interpretationsspielraums zu formulieren (3). Mit der Festlegung des harten Kerns wird eine bestimmte Auslegungsmöglichkeit fixiert. Der harte Kern wird durch einen Mantel von Hilfshypothesen geschützt (4). Kern und Mantel müssen Schlußfolgerungen erlauben, die aus ihnen abgeleitet werden können und einer Prüfung anhand empirischer Daten zugänglich sind (5). Diese Prüfung ist durchzuführen (6). Werden die Schlußfolgerungen bestätigt (7a), hat sich das Foschungsprogramm bewährt. Fällt die Prüfung negativ aus (7b), muß der Mantel der Hilfshypothesen modifiziert oder ergänzt werden. Sollte sich dieses Verfahren auf Dauer als denegerativ [sic] im Lakatosschen Sinne (s. o.) erweisen (7c), dann darf auch der harte Kern nicht tabu sein (8); dessen Neuformulierung muß jedoch wiederum unter Beachtung des exegetischen Spielraums erfolgen (9). (aus: Junker o.J., Text-Hevorhebungen von mir, T.W.)
Junker macht unmissverständlich klar, dass der Ausgangspunkt der Schöpfungsforschung die biblischen Texte sind, deren inhaltliche Verbindlichkeit in wortwörtlicher Interpretation als Dogma vorausgesetzt wird. Damit ist offensichtlich der Inhalt der Texte gemeint. Junker geht noch einen Schritt weiter: er fordert eine ganz bestimmte Exegese ein, eine, die nicht von naturwissenschaftlichen Theorien bestimmt werden darf. Nur am Rande sei erwähnt, dass es andere Exegesen der Bibel gibt, die zu vollkommen anderen Dogmen führen. Das heißt, egal, welche Ergebnisse die Naturwissenschaften auch erzielen, eine Neuformulierung darf nach Junkers Ansatz immer nur unter Beachtung des exegetischen Spielraums erfolgen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie hier ein prinzipieller Fortschritt möglich sein soll, der über die Reichweite der Exegese hinausgeht. Das geht sogar, wie unten gezeigt wird, so weit, dass dafür plädiert wird, bestimmte Forschungen zu unterlassen. Das kann man nur als 'die Ergebnisse stehen von vorneherein in groben Zügen schon fest' auffassen.
[ Übersicht ]
Dieses abstrakte Modell wird dann anhand der Grundtypenbiologie erläutert. Auf diese Theorie bin ich unter eher inhaltlichen Gesichtspunkten an anderer Stelle schon ausführlicher eingegangen. Hier geht es mir eher darum, den Anspruch der Grundtypenbiologie als Theorien-Konkurrent zur naturalistischen Evolutionsbiologie zu betrachten. Junker wählt die Grundtypenbiologie aus dem Grund als Beispiel, weil es sich nach seiner Auffassung um die am besten durchgearbeitete Teiltheorie der Schöpfungsforschung handelt:
Die Grundtypenbiologie ist zudem einer der wenigen Bereiche, in denen Schöpfungswissenschaftler so etwas wie Forschung betreiben, die ansatzweise in der Art verläuft, wie naturalistische Forschung betrieben wird. Ich werde zeigen, dass der Vergleich mit der üblichen Forschung überhaupt nicht günstig für die Grundtypenbiologie ausfällt. Nur am Rande sei erwähnt, dass, falls Junker Recht mit seiner Einschätzung, dass die Grundtypenbiologie das am relativ besten ausgearbeitete Beispiel für ein schöpfungstheoretisches Forschunsmodell ist, hat, damit streng genommen der gesamte Ansatz der Schöpfungsforschung problematisch wird: alle anderen Bereiche sind noch weniger haltbar.
Die Grundtypenbiologie charakterisiert Junker wie folgt:
Als 'harter Kern' dieserTheorie werden folgende Aussagen konkretisiert:
* Die Lebewesen existieren von Beginn ihrer Existenz an als diskrete Schöpfungseinheiten (Grundtypen)
* Die Lebewesen kamen in der Schöpfungswoche ("gleichzeitig") durch Gottes Wort ins Dasein - Die Grundtypen existieren seit ca. 10.000 Jahren - Die Grundtypen sind nur begrenzt veränderlich (Junker o.J.)
Junker geht nun davon aus, dass dieser harte Kern nicht durch Beobachtungsdaten überprüft werden kann. Es müssten vielmehr Hilfshypothesen formuliert werden. Auf diese gehe ich hier nicht weiter ein, weil sie sich nicht mit dem befassen, was ich an diesem Modell kritisieren werde. Sie beziehen sich vornehmlich auf die begrenzte Veränderlichkeit dieser Einheiten sowie die Geschwindigkeit, mit der diese erfolgen kann. Das sind aber allesamt Bereiche, in denen das Grundtypen-Modell keine neuen Erkenntnisse bringt, die im Rahmen der üblichen Phylogenetik nicht erklärbar wären oder gar Probleme lösten, die diese nicht lösen kann. Auch die Anomalien der Grundtypenbiologie, die von Junker angeführt werden, bewegen sich in diesem Rahmen. Nur angedeutet wird das unübersteigbare Problem: der Fossilbefund lässt sich beim besten Willen nicht mit dem harten Kern vereinbaren. Ganz unabhängig, wie alt die Erde nun konkret ist, der Fossilbefund zeigt eindeutig, dass Grundtypen nicht gleichzeitig erschaffen wurden. In der geologischen Schichtenfolge findet man ein regelmäßiges Muster: die ehemaligen Biozönosen unterscheiden sich grundlegend von den derzeitigen. Heutige Lebensformen wie die Säugetiere findet man erst in ganz jungen Schichten. Befunde, die sich im Sinne einer weltweiten Sintflut deuten lassen, fehlen ebenfalls. Es könnte lediglich noch argumentiert werden, dass die Grundtypen zwar immer schon existierten, aber nicht gefunden wurden. Angesichts des Gesamtmusters des Fossilbefunds ist diese Annahme aber derart unwahrscheinlich, dass sie ausgeschlossen werden kann. [ Einwand ]
Junker zieht folgendes Fazit:
Welche Anomalien das Evolutionsmodell konkret aufweist, wird in dem Artikel genauso wenig dargestellt wie die die entsprechenden Lösungen der Grundtypenbiologie. [ Einwand ] Was konkret unter 'Zeitproblematik' zu verstehen ist, wird hier nicht ausgeführt. Weiter oben im Text wurde beispielsweise dargestellt, dass geprüft werden muss, ob es Mechanismen gibt, mit denen erklärt werden kann, dass eine Entwicklung der heutigen Lebewelt im Rahmen der Grundtypen in der kurzen Zeit seit der Sintflut erfolgt sein konnte. Ist das gemeint? [ Einwand ] Oder die noch weiter reichende Frage, ob das Alter der Erde doch durch die radiometrische Datierung hinreichend genau bestimmt werden kann, so dass eine junge Erde nicht haltbar ist? [ Einwand ]
Nirgends wird zudem begründet, warum die Grundtypen-Biologie ein gleichwertiger Konkurrent zur Makro-Evolutionsbiologie (der Begriff wird nicht erklärt) sein kann. [ Einwand ] Das scheint mir bestenfalls 'wishful thinking' zu sein. Derzeit sieht die Situation so aus, dass die naturalistische Evolutionsforschung viele Phänomene zwar nicht letztendlich erklären kann, dass es aber keine Befunde gibt, die so gravierend sind, dass sie Grund zur Annahme geben würden, dass dieses Vorhaben scheitern muss. Genau umgekehrt sieht es für die Grundtypenbiologie aus: es gibt eindeutige Befunde aus dem Bereich der Paläontologie, die sie widerlegen. Der harte Kern ist zudem angesichts der Befunde der radiometrischen Datierung nicht haltbar
Außerdem erfüllt die Grundtypenbiologie ein wichtiges Kriterium nicht, das Junker einfordert:
Die Grundtypenbiologie erklärt nichts, was nicht auch im Rahmen der üblichen Evolutionsforschung erklärbar wäre. Einen wie auch immer gearteten 'progressiven Gehaltsüberschuss' der Grundtypenbiologie gibt es schlicht und ergreifend nicht. Es ist der Grundtypenbiologie bisher lediglich gelungen, zu zeigen, dass es möglich ist, durch Hybridisierungsexperimente Gruppen zu finden, die sich nicht mit der biologischen Art decken. Es ist eine interessante Frage, ob man ein neues Taxon 'Grundtyp' in die Taxonomie einführen sollte. Welche experimentellen Befunde, die die Evolutionsforschung nicht erklären kann, durch die Grundtypenbiologie geklärt worden sind, wird nicht dargestellt. [ Einwand ] Selbst wenn die Forschungen, die im Text geschildert werden, die gewünschten Ergebnisse erbrächten, wäre der harte Kern noch lange nicht bestätigt: der Fossilbefund ist immer noch nicht mit diesem Modell vereinbar. Der einzige Ausweg, nämlich die Exegese der biblischen Texte an die Erkenntnisse der Naturwissenschaften anzupassen, wird explizit verworfen.
[ Übersicht ]
Zudem stellt die Schöpfungswissenschaft in der Form, wie sie die Studiengemeinschaft Wort und Wissen vertritt, einen Hemmschuh für die Forschung dar:
Hier wird das eigentliche Ziel deutlich: die Forschung soll sich nach den Inhalten einer bestimmten Exegese der Bibel richten. Wenn diese Exegese ergibt, dass bestimmte Inhalte eingefordert werden müssen, dann soll eben auf die Forschung verzichtet werden, die diese Inhalte prinzipiell widerlegen könnte. [ Einwand ] Die Anführung der Abiogenese-Forschung verwundert: es ist sicher zutreffend, dass sich ältere Vorstellungen als nicht tragfähig erwiesen haben. Wie Junker aber angesichts der vielen Ansätze, die derzeit erarbeitet werden, begründen will, dass derartige Forschung zu unterlassen ist, ist mir unbegreiflich. [ Einwand ]
Es zeigt sich in aller Deutlichkeit: der Ansatz der Schöpfungswissenschaft im Sinne der Studiengemeinschaft Wort und Wissen ist dogmatisch. Und zwar auf einer vollkommen anderen Ebene als das für eine allgemeine Schöpfungswissenschaft der Fall wäre. Diese könnte, wie die naturalistische Forschung, methodisch sauber erfolgen. Die Ergebnisse der Forschung würden dann auf den 'harten Kern', der in diesem Fall aus einem Satz an Regeln (incl. eines Prinzips wie 'es ist zu berücksichtigen, dass ein Schöpfer am Werke war') und nicht auf vorgegebenen Inhalten beruht, rückwirken und diesen entsprechend verändern. Das macht eben den Unterschied zwischen dem kreationistischen und vielen anderen Ansätzen aus. Auch wenn die Mitarbeiter der Studiengemeinschaft Wort und Wissen versuchen, sachlicher zu argumentieren und 'liberaler' zu sein als die amerikanischen Kreationisten, vertreten sie doch in aller Deutlichkeit kreationistische Standpunkte, die sich letztlich weder mit dem derzeitigen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnis noch mit der üblichen Methodik vereinbaren lassen. Deshalb ist eine Schöpfungswissenschaft in der Form, wie sie von der Studiengemeinschaft Wort und Wissen vertreten wird, im Rahmen der üblichen Vorgehensweise der (Natur-)Wissenschaft nicht möglich. Auch die Studiengemeinschaft Wort und Wissen hat nach meiner Auffassung nur zwei Möglichkeiten: ihren Ansatz aufzugeben oder eine vollkommen neue Wissenschaft zu erfinden. Im Rahmen der üblichen Wissenschaften ist kein Platz für eine Auffassung, die die Reichweite des Forschungsprogramms auf vorgegebene Inhalte beschränken will, die dazu noch im Widerspruch zu allgemein anerkannten Befunden stehen.
[ Übersicht ]
Als Fazit bleibt: die oben genannten Vorwürfe, eine (kreationistische) Schöpfungsforschung sei nicht wissenschaftlich, treffen zumindest auf die von der Studiengemeinschaft Wort und Wissen vertretene Variante zu. Um deren Inhalte vertreten zu können, müsste eine vollkommen neue Wissenschaft aufgebaut werden, die auf anderen Grundlagen beruht als die derzeitige, weil nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnis beispielsweise eine junge Erde oder eine Schöpfungswoche nicht vertretbar ist. Diese Inhalte können nur als Dogma der Forschung vorgegeben werden, obwohl es sich zeigt, dass sie mit den Ergebnissen derselben nicht vereinbar ist.
Ich danke Herrn Dr. Mahner von der GWUP für die kritische Durchsicht des Textes und seine hilfreichen Anmerkungen.
Hemminger, H. (1988) 'Kreationismus zwischen Schöpfungsglaube
und Naturwissenschaft' Stuttgart, EZW Orientierungen und Berichte Nr. 16
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Junker, R. (o.J.) '"Harter Kern" und Hilfshypothesen
von Forschungsprogrammen in der Schöpfungsforschung', URL:
http://www.wort-und-wissen.de/fachgruppen/wissenschaftstheorie//beitraege/text_006.html
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Junker, R. (1994) 'Leben durch Sterben? Schöpfung, Heilsgeschichte
und Evolution 2. Auflage' Stuttgart-Neuhausen, Hänssler
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Mayr, E. (1984) 'Die Entwicklung der biologischen Gedankenwelt',
Berlin; Heidelberg; New York; Tokyo, Springer
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an Thomas Waschke |
Erstellt:
Stand: |
22. April 2002 |