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Intelligent-Design (ID) ist eine relative junge Strömung innerhalb der Evolutionsgegner in den USA. Es steht in der Folge des 'Scientific Creationism', der vorgab, durch naturwissenschaftliche Befunde die Faktizität der Aussagen der Genesis aufzeigen zu können. Beide Bewegungen sind nur auf der Grundlage der Verhältnisse in den USA zu verstehen. Dort ist Religions-Unterricht an öffentlichen Schulen durch die Verfassung verboten. Daher müssen biblisch orientierte Evolutionsgegner ihre Auffassungen als Wissenschaft bezeichnen, um sie als Unterrichtsinhalte an öffentlichen Schulen vertretbar zu machen. Nachdem sich die Kreationisten im strengen Sinn vom höchsten amerikanischen Gericht sagen lassen mussten, dass ihr 'Scientific Creationism' letztendlich Religion im Deckmäntelchen von Naturwissenschaft ist [1], ist ID als ein weiterer Versuch anzusehen, christlich motivierte Schöpfungslehre in den Stoffplan naturwissenschaftlichen Unterrichts zu platzieren. Ganz dem amerikanischen Bedürfnis nach Fairness entsprechend forderten schon die Kreationisten 'equal time'. Konkret bedeutet das, dass neben der Evolution (biblische) Schöpfungslehre gleichwertig (konkret im Sinne gleicher Unterrichtszeit) behandelt werden sollte. Diese Argumentationstechnik verfolgt nun auch die ID-Bewegung.
Der Beginn der neuen ID-Bewegung wird üblicherweise mit dem 1991 erschienen Buch 'Darwin on Trial' des Rechtsprofessors Philipp E. Johnson angegeben. Autoren wie Dembski nennen aber auch noch frühere Vorläufer. Als weitere wichtige Bücher, auf die sich diese Bewegung beruft, gelten 'Evolution. A Theory in Crisis' (Denton 1985), 'Darwins Black Box' (Behe 1996), 'The Design Inference' (Dembski 1998) und 'No Free Lunch' (Dembski 2002). Merkwürdigerweise wird in den Arbeiten, die ich untersucht habe, ReMines 'The Biotic Message' (ReMine 1993) nicht genannt, obwohl er dieselben Argumente vertritt. [2]
Die inhaltliche Position der ID-Bewegung ist allerdings alles andere als neu. Sie steht in der Tradition der 'natural theology', als deren bekanntester Vertreter Paley genannt wird. Aus dessen 1802 erschienen Buch 'Natural Theology. Or, Evidences of the Existence and Attributes of the Deity, Collected from the Appearances of Nature' stammt das 'klassische Beispiel' für das Erkennen der Notwendigkeit eines Schöpfers aus seinen Werken: wenn man eine Uhr im Sand liegen sieht, kann man daraus auf einen Uhrmacher schließen. Paley schloss also aus der Komplexität eines Gegenstands und daher der Unmöglichkeit dessen zufälliger Entstehung auf dessen Schöpfung. Weil Lebewesen und der Ablauf der Natur ebenfalls komplex sind, schloss Paley, dass auch diese Systeme geschaffen sein mussten. Der Gedanke eines Schlusses von den Eigenschaften der Natur auf einen Schöpfer an sich ist als kosmologischer Gottesbeweis aber schon viel älter als Paley und lässt sich (zumindest) bis auf Aristoteles zurückverfolgen. Darwin griff die Beispiele, die Paley nannte, auf und versuchte zu zeigen, dass seine Selektionstheorie das Entstehen dieser Systeme auch ohne einen Schöpfer erklären konnte. Daher verloren Paleys Argumente im Lauf der Zeit an Gewicht. Es wird zu zeigen sein, dass auch die heutigen Vertreter des ID keinen Schritt weiter als Paley gelangt sind.
Während die Kreationisten seit spätestens den 1960er Jahre eine relativ homogene Gruppe mit einer klar definierbaren Basis darstellen, handelt es sich bei ID eher um eine Sammlungsbewegung, die ein sehr breites Spektrum an Auffassungen beinhaltet. Der kleinste gemeinsame Nenner ist eigentlich nur die Ablehnung des Naturalismus als hinreichende Erklärung für das Entstehen der Lebewesen. Wie noch gezeigt werden wird, beschränkt sich ID auf den Versuch des Nachweises, dass es einen Designer gibt. Weder die Frage, wer dieser Designer ist, noch die, wie dieser Designer wirkt, werden beantwortet. Es wird vermutet (beispielsweise von Scott 2001), dass diese Vagheit vor allem darauf beruht, dass Streit 'im eigenen Lager' vermieden werden soll.[3] Die Differenzen zwischen den unterschiedlichsten Lagern innerhalb der Evolutionsbiologie sind sicher minimal im Vergleich zu denen, die zwischen den verschiedenen Gruppen von ID-Anhängern bestehen, deren Spektrum von Menschen, die sich irgendwie nicht damit abfinden wollen, dass es kein 'höheres Wesen' geben soll über Anhänger meist der christlichen Religion bis hin zu Auffassungen, die ganz konkrete Auffassungen hinsichtlich des Schöpfungshandelns der jeweiligen Gottheit haben.
Es ist aber festzustellen, dass so gut wie alle führenden Vertreter der ID-Bewegung Christen sind. Auf jeden Fall leiten diese Menschen religiöse Motive. Forrest (2002) zitiert, leider ohne Angabe von Quellen, Aussagen der führenden Vertreter der ID-Bewegung. Shermer dürfte nicht der einzige sein, dem es auffällt, dass die führenden Vertreter der ID-Bewegung wiedergeborene Christen sind. Das könnte auch erklären, warum es, zumindest in den USA, recht wenige Muslime unter den Vertretern des ID gibt. Viele Muslime, mit denen ich per E-Mail oder in NewsGroups diskutiert habe, vertraten dieselben Argumente wie ID-Anhänger.
Den meist konservativ orientierten ID-Anhängern ist auch gemeinsam, dass sie in der naturalistischen Auffassung eine Gefahr für die sittliche Verfassung der Gesellschaft sehen. Merkwürdigerweise erkennen sie meist nicht, dass ein Designer, der nicht mit bestimmten Eigenschaften ausgestattet ist (beispielsweise, dass er sich um uns Menschen kümmert), prinzipiell die Bedürfnisse dieser Menschen gar nicht erfüllen kann. Daher ist zu bezweifeln, ob sich die ID-Anhänger wirklich mit der Erkenntnis, dass es irgendeinen Schöpfer geben muss, zufrieden geben. Plausibler ist eher, dass ID nur einen ersten Schritt zur Verkündigung der jeweiligen Religion darstellt: durch Bekämpfung des Naturalismus wird Platz für einen Gott geschaffen.
Die Frage nach der Unterscheidung von Kreationismus und ID wird durchaus kontrovers diskutiert. Pennock (2001) beispielsweise bezeichnet ID als 'intelligent design creationism', andere Autoren verwenden Begriffe wie 'Neo-Kreationismus'. Sie begründen das auf der einen Seite damit, dass sich unter den Anhängern des ID viele Kreationisten befänden (Pennock nennt Percival Davis, Paul Nelson und John Mark Reynolds). Auf der anderen Seite seien auch ID-Anhänger Kreationisten, wenn man unter 'Kreationismus' die Auffassung versteht, dass eine naturalistische Erklärung der Evolution abgelehnt und eine spezielle Schöpfung angenommen wird. [4] Unübersehbar ist aber auch, dass sich vor allem gebildetere Evolutionsgegner scheuen, offen für den Kreationismus einzutreten, weil dessen Kernthesen (junge Erde, weltweite Sintflut, Schöpfungswoche) in einer ernsthaften Diskussion nicht haltbar sind. Auch die deutschen Kreationisten bei Wort und Wissen treten öffentlich üblicherweise als ID-Anhänger auf. Im Rahmen der noch zu behandelnden Keil-Strategie dient ID als erster Schritt, der aber letztendlich zum Ziel hat, als 'dickes Ende' biblisch orientierte Vorstellungen zu vertreten. ID-Anhänger wie Dembski oder Behe hingegen sehen sich aber selber nicht als Kreationisten, vor allem, weil ihr Ansatz prinzipiell auch mit anderen Designern als dem Gott der Bibel vereinbar sei.
Ich halte die Unterschiede zwischen diesen beiden Bewegungen für so wesentlich, dass ich dafür plädiere, den Begriff 'Kreationismus' im strengen Sinn für die Auffassung, die auch als 'Scientific Creationism' bezeichet wird, zu verwenden. Charakteristisch für diese Position ist die Auffassung, dass es möglich ist, die Aussagen der Bibel (junge Erde, Schöpfungswoche, Sintflut) mit naturwissenschaftlichen Argumenten zu belegen. Das Problem einer zu weiten Definition besteht in meinen Augen darin, dass 'Kreationist' üblicherweise pejorativ verwendet wird. Das macht aber nur Sinn, wenn man auch aufzeigen kann, dass ein bestimmter Autor die Inhalte der jeweiligen Auffassung vertritt. Wenn man den Begriff 'Kreationismus' zu sehr ausweitet, fallen irgendwann auch Positionen darunter, die dessen Verwendung unzweckmäßig machen. Wenn man jede Position, die davon ausgeht, dass es möglicherweise irgendeinen wie auch immer gearteten Designer geben könnte, als 'Kreationismus' bezeichnet, müsste man Menschen wie Einstein, Dobzhansky, v. Ditfurth oder Morris in eine Gruppe stellen. Das macht in meinen Augen wirklich keinen Sinn. Indirekt kann man auch an der Aussage, dass sich Kreationisten als ID-Anhänger 'tarnen', erkennen, dass zwischen beiden Positionen ein Unterschied vorhanden sein muss.
So konstatiert beispielsweise Orr, dass ID-'Theoretiker' gegenüber den Kreationisten durch mindestens drei neue Merkmale charakterisiert sind: sie haben höhere akademische Grade, bringen ausgefeilte Argumente, die auf fundiertem Wissen beruhen und vermeiden religiöse Sprache sowie jegliche Spekulationen darüber, wer denn nun genau der Schöpfer sei.
Das unterscheidet ID-Anhänger auf jeden Fall von den Kreationisten, die oft, wenn überhaupt, nur über Titel obskurer Bildungseinrichtungen oder in Fächern, die mit der Diskussion wenig zu tun haben, besitzen, deren Argumente bei näherer Betrachtung nicht haltbar sind und die sich explizit auf die Bibel beziehen. In den USA mag es Sinn machen, ID-Anhänger und Kreationisten in einen Topf zu werfen, weil dort beide Hand in Hand mit denselben Argumenten beispielsweise für die Einführung von 'Schöpfungswissenschaft' in den öffentlichen Schulen kämpfen. Zumindest hier in Deutschland scheint mir sinnvoller zu sein, zwischen ID und Kreationismus begrifflich klar zu unterscheiden.
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[ 1 ] Das ist das Fazit des sogenannten 'Overton-Urteils', benannt nach dem Richter am obersten Gericht der USA, der dieses Urteil fällte. Seine Urteilsbegründung ist, so weit mir bekannt ist, die einzige, die jemals in Science, einer führenden naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift, erschienen ist (Overton, W. R. (1982) 'Creationism in Schools: The Decision in McLean versus the Arkansas Board of Education' Science 215:934-942).
[ 2 ] Ich vermute, dass das daran liegt, dass ReMine zu konkret wird. Im Gegensatz zu den meisten Autoren der ID-Bewegung, die explizit darauf verzichten, irgendwelche Aussagen über den Designer zu machen, versucht ReMine an vielen Stellen Aussagen über den Designer zu machen. ReMines Buch wird vor allem von Kreationisten im strengen Sinn zitiert.
[ 3 ] Die Natur des ID als Sammlungsbewegung wird auch durch die Formulierung 'Big Tent' ('großes Zelt') (vgl. Scott 2001 'The Big Tent and the Camel's Nose') zum Ausdruck gebracht, in dem alle Anhänger Platz finden.
[ 4 ] In der genannten Arbeit (2001) argumentiert Pennock gegen Behe (1999), der ihm vorwarf, ID-Anhänger als Kreationisten zu bezeichnen. Pennock zitiert dann eine Passage aus einer Arbeit von Morris (1999) als Beleg für seine Auffassung (Morris ist der Gründer des ICR, der wohl wichtigsten Organisation der amerikanischen Kreationisten). Wenn man aber den Kontext der Arbeit von Morris zur Kenntnis nimmt, wird eindeutig klar, dass Morris anderer Auffassung ist als Pennock. Für Morris ist ID bestenfalls ein Anfang, um irgendwann für Kreationismus zu argumentieren, auf jeden Fall aber unzureichend. Das bringt schon der Titel dieser Arbeit ('Design is not enough') zum Ausdruck.
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an Thomas Waschke |
Erstellt:
Stand: |
15.Mai 2003 |