Bei der Übertragung des englischen Originals habe ich mir selbstverständlich viel Mühe gegeben. Da ich aber kein professioneller Übersetzer bin, ist es sehr wahrscheinlich, dass mir bei der Übertragung Fehler unterlaufen sind. Außerdem habe ich mir erlaubt, relativ frei zu übertragen und habe im einen oder anderen Fall mehr Wert auf Lesbarkeit als auf Genauigkeit der Übersetzung gelegt. Es bietet sich daher auf jeden Fall an, den englischen Original-Artikel zu lesen:
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Original-Artikel |
Der Autor hat mir freundlicherweise gestattet, diesen Artikel aus dem Skeptic-Magazin zu übertragen und auf meiner Site zu veröffentlichen. Die Anmerkungen am Ende des Textes stammen von mir. Bevor Sie den Autor beschimpfen, wäre es vielleicht besser, sich erst an mich zu wenden. Möglicherweise habe ich nur einen Übersetzungsfehler gemacht. Quellenangaben habe ich so wiedergegeben, wie sie im Original-Artikel stehen.
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Michael Shermer (2000)
Den derzeit aktivsten Bereich, der naturwissenschaftliche Unterstützung für Gottes Existenz sucht findet man im sogenannten 'new creationism', der sich mit 'nichtreduzierbarer Komplexität' ('irreducible complexity') und besonders mit 'intelligent design' (als ID unter deren Anhängern bekannt, Kritiker hingegen nennen sie IDiots). Ich habe deren Auffassung ausführlich im Kapitel 5 meines Buchs How We Believe besprochen. Hier möchte ich aber von der Konferenz vom 22. bis 24. Juni an der Concordia Universität mit dem Titel 'Intelligent Design und seine Kritiker', an der ich teilnahm, berichten, weil ich glaube, dass sie zusätzliches Licht auf die Motive und die Psychologie dieser neuen Kreationisten [ 1 ] wirft.
Obwohl auf der Konferenz einige Kritiker, sowohl auf dem Podium als auch im Publikum, anwesend waren, erschienenen vor allem ID-Befürworter. Die Konferenz wurde zum Teil von der Templeton Foundation gesponsort (mit 20.000 Dollar, wie mir der Veranstalter mitteilte) und wurde so strukturiert, dass sie wie eine echte wissenschaftliche Debatte über Intelligent Design aussah. Die Konferenz wurde aber, wie ich schon in meinen einleitenden Bemerkungen ausführte, an einem lutherischen Kolleg abgehalten. Kurz bevor ich vorgestellt wurde, erfolgte die Ankündigung, um welche Uhrzeit am nächsten Morgen Gottesdienst sei und wie man dorthin gebracht werden kann. "Mit wem albern wir hier herum, Leute?", fragte ich. "Ihr behauptet, dass Ihr Wissenschaftler seid, dass Intelligent Design eine Wissenschaft ist und dass diese nichts mit Religion zu tun habe. Jetzt zeigt sich aber, dass so gut wie jeder ID-Unterstützer ein wiedergeborener Christ ist. Kann das wirklich Zufall sein?" Wegen dieser Bemerkungen wurde mir später vorgeworfen, ich würde die 'genetic fallacy' begehen, weil ich Personen und nicht deren Argumente angriffe. Ich habe aber schon viele Punkt-für-Punkt-Argumentationen verfasst (siehe das Kapitel "Auseinandersetzung mit Kreationisten: 25 Antworten von Evolutionisten" in Why People Believe Weird Things und Kapitel 5 in How We Believe über "Oh Ihr Kleingläubigen: Gottesbeweise und was sie uns über den Glauben sagen"). Zudem habe ich an vielen Debatten mit Kreationisten und Theologen teilgenommen. Meine Teilnahme an dieser Konferenz war ebenfalls eine Debatte mit Stephen Meyer, in der ich auf viele Argumente von ID einging.
Ich halte jede Wette, dass es nicht um die Argumente von ID geht, die wurden allesamt von mir und anderen (besonders von Kenneth Miller in seinem hervorragenden Buch Finding Darwin's God) hinreichend widerlegt, sondern um die Psychologie von ID. Um was es hier wirklich geht ist altmodische Religion im Gewand eines neumodischen Jargons. Das war schon für die Wissenschaftler in der Zeit von Scopes nicht gut genug und ist es auch für heutige Wissenschaftler nicht. Die Sprache ändert sich, aber die Argumente bleiben dieselben. Das Gebäude wurde neu gestrichen und alle 10 Jahre wurde eine neue Fassade aufgelegt, aber das Innere enthält noch immer dieselben alten verstaubten Möbel. Was mich mehr als alles andere an diesen Menschen erzürnt, ist die Unaufrichtigkeit über ihre religiöse Motivation.[ 2 ] In meinem Buch Why People Believe Weird Things verglich ich diese Evolutionsgegner mit Holocaust-Leugnern, indem ich aufzeigte, wie beide den selben Argumentationsstil und dieselben logischen Fehler in ihren gleichlaufenden Versuchen verwenden, den historischen Befund für politische, ideologische oder religiöse Zwecke zu verdrehen. Die Holocaust-Leugner stehen wenigstens aufrichtig zu ihren Motiven. Die mögen keine Juden und sie scheuen sich nicht, das so zu sagen. Tatsächlich bekennen sie offen und stolz, dass sie einen lebenswichtigen Kampf gegen das führen, was sie für eine ungerechtfertigte Machtfülle der Juden in unserer Kultur halten. Holocaust-Leugner mögen abscheulich sein, aber sie verbergen ihre Ziele nicht. Evolutionsgegner hingegen sind ein heimtückisches Pack, doppelzüngig bis ins Mark, und sie sind gefährlich erfolgreich, indem sie ihre Auffassungen arglosen Schulkindern in den öffentlichen Schulen eintrichtern. Sehen Sie das ganz klar. Kreationisten wollen nicht dieselbe Zeit. Sie wollen die gesamte Zeit. Sie führen einen Krieg gegen Evolution im besonderen und gegen Wissenschaft im allgemeinen, und sie sind in ihrem Eifer so fanatisch wie jede religiöse Bewegung in den vergangenen Jahrtausenden.
Lassen Sie es mich ganz offen sagen (als ob ich das noch offener tun könnte). Es ist kein Zufall, dass so gut wie alle ID-Befürworter Christen sind. Das ist unvermeidlich. ID-Argumente sind Gründe zum Glauben, wenn Sie schon glauben. Wenn sie das nicht tun, sind ID-Argumente nicht vertretbar. Aber ich möchte noch einen Schritt weiter gehen. Wenn man an Gott glaubt, tut man das aus persönlichen und emotionalen Gründen (wie ich im Kapitel 4 von How We Believe aufzeige). Wie meine Ergebnisse zeigen, haben gut ausgebildete Gläubige, besonders Männer, die religiös erzogen wurden, eine starke Neigung, ihren Glauben mit rationalen Gründen zu rechtfertigen. Und ein Blick auf eine Zuhörerschaft von 250 ID-Befürwortern bei dieser Debatte zeigt, dass hier überwiegend gebildete Männer sitzen.
Die Doppelzüngigkeit von ID-lern ist am offensichtlichsten und erschreckendsten in ihrer Behauptung, dass sie ja nur Wissenschaft treiben würden und daher keine Aussagen über die Natur des intelligenten Designers machen könnten. Warum nicht? Sind die überhaupt nicht neugierig, wer oder was dieses ID ist? (wir wollen hier ganz eindeutig sein und die Buchstaben G-O-T-T für I-D einsetzen um diese schöpferische Instanz zu bezeichnen). Wenn ID auf das Universum und unsere Welt einwirkt, möchten die ID-ler wirklich nicht wissen, wie ID wirkt? Sie behaupten beispielsweise, dass gewisse biologische Systeme 'irreduzibel komplex' seien. Eine Anzahl verschiedener Teile eines Systems konnte sich möglicherweise nicht durch Zufall oder irgendwelche darwinsche oder natürliche Ursachen zusammenlagern, daher muss dieser Vorgang übernatürlich erfolgt sein. Wenn wir einmal annehmen (obwohl wir nicht sehen, dass das stimmt), dass ID tatsächlich eine Reihe von biochemischen Komponenten so zusammenlagerte, dass das Gebilde sich mit einer Geißel fortbewegt (so lautet deren einziges bekannte Beispiel, vorgetragen mit einer raffinierten Power-Point Präsentation), wollen sie wirklich nicht wissen, wie ID das gemacht hat? Jeder Naturwissenschaftler, der etwas taugt, möchte das wissen. Ich jedenfalls möchte das wissen. Ich möchte wissen, ob ID Telekinese oder irgendeine andere geheimnisvolle Kraft verwendet, um die Teile zusammenzubringen. Aber die ID-Anhänger behaupten, dass sie sich nicht darum kümmern, wie ID das machte. Alles, was zählt, ist, dass Er (oder Sie oder Es) das machte. "ID funktioniert auf wundersame Weise". Was für eine bemerkenswert unwissenschaftliche Haltung. Was für ein erstaunlicher Mangel an Neugier über die Welt.
ID-Theoretiker greifen zudem den "Hang" der Wissenschaftler zum methodologischen Naturalismus an, als ob das irgendeine Krankheit wäre (und sie haben das Heilmittel). Es ist nicht fair, sagen sie, dass wir keinen Supranaturalismus gestatten. Sie (die ID-ler) werden aus der Arena der Wissenschaft verbannt, nur weil sie eine Grundregel des Spiels nicht beachten. Lasst uns doch einfach die Regeln ändern, damit wir mitspielen dürfen, rufen sie. Okay, lasst uns die Regeln ändern. Erlauben wir methodologischen Supranaturalismus in der Wissenschaft. Wie sollte das aussehen? Wie sollte das funktionieren? Was sollten wir mit dem Supranaturalismus anfangen? Nach ihren eigenen Angaben machen sie keine Aussagen über die Natur von ID und werden das auch nicht tun. Sie wollen nur sagen: 'ID machte das'. Das erinnert mich an den klassischen Cartoon von Sidney Harris, in dem zwei Wissenschaftler vor einer Tafel stehen, die mit Gleichungen vollgeschrieben ist. Eine Lücke in der Reihe der Berechnungen ist mit der Erklärung 'Dann geschieht ein Wunder' ausgefüllt. Obwohl sie angeblich irgendwelche derartigen 'Lückenbüßergott-Argumente' verabscheuen, ist es genau das, was sie tun. Sie haben einfach den Namen GOTT in ID verändert.
Quelle: ( Michael Shermer, "ID Works In Mysterious Ways," Skeptic, 2000, 8(2): pp. 23-24), auch OnLine abrufbar unter www.stephenjaygould.org/ctrl/shermer_design.html.
Anmerkungen (Thomas Waschke)
[ 1 ] | Im Gegensatz zu Herrn Shermer plädiere ich dafür, den Begriff 'Kreationismus' enger zu fassen. Die Auffassungen von Anhängern von ID unterscheiden sich in wesentlichen Punkten von denen der Kreationisten im strengen Sinn. Auch von kreationistischer Seite wird betont, dass ID das Wesen des christlichen Glaubens verfehlt. [ zurück ] |
[ 2 ] | Im Gegensatz zu Deutschland ist in den USA Religionsunterricht an öffentlichen Schulen durch die Verfassung verboten. Daher ist es ein wesentliches Anliegen von Evolutionsgegnern, ihre Auffassung als Wissenschaft zu bezeichnen, um sie so auch in die öffentlichen Schulen tragen zu können. [ zurück ] |
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Stand: |
22. April 2003 |