Zirkelschlüsse?

Ein auf den ersten Blick wenig nützlicher Aspekt des in der Wissenschaft üblichen Vorgangs der Verfeinerung von geologischen Zeittafeln ist die scheinbare Zirkelhaftigkeit, wenn man die Datenquellen nicht sorgfältig genug betrachtet. Meist wird das durch zu weit gehende Vereinfachungen ausgedrückt, beispielsweise:
Es gibt sogar einige Geologen, die diese Fehleinschätzung (in etwas unterschiedlichen Worten) in anscheinend maßgeblichen Werken (z.B. Rastall, 1956) darstellen, deshalb hält sich diese Fehleinschätzung hartnäckig, obwohl sie vollkommen falsch ist (vgl. Harper (1980), S. 246f für eine grundlegende Widerlegung, die allerdings sehr technisch ist).

Wenn ein Geologe eine Gesteinsprobe für eine radiometrische Datierung nimmt oder ein Fossil einsammelt, gibt es unabhängige Grenzen für das relative und absolute Alter der daraus resultierenden Daten. Die stratigraphische Position ist offensichtlich, aber es gibt noch viel andere. Der Geologe hat keine Möglichkeit, sich auszusuchen, welchen numerischen Wert eine radiometrische Datierung ergeben wird oder an welcher Stelle in einer stratigraphischen Schicht er ein Fossil finden wird. Jede Beobachtung, die so gewonnen wird, ist eine unabhängige Prüfung dessen, was zuvor erforscht wurde. Die Daten werden durch die Gesteine bestimmt, nicht durch die vorgefaßten Meinungen darüber, was man finden wird. Jedes Aufsammeln eines Steins ist ein Test der Vorhersagen, die durch das gegenwärtige Verständnis der geologischen Zeittafel gemacht wird. Die Zeittafel wird verfeinert, um die relativ wenigen und zunehmend kleineren Inkonsistenzen zu berücksichtigen, die man findet. Das ist keine Zirkularität, es ist der übliche naturwissenschaftliche Vorgang der Vertiefung des Verständnisses durch neue Daten. Das geschieht in allen Naturwissenschaften.
 
Wenn ein abweichender Meßwert gefunden wird, stellen sich die Geologen die Frage: 'Ist dieser Meßwert falsch oder zeigt er an, daß die zur Zeit gültige geologische Zeittafel falsch ist?' Im Allgemeinen ist ersteres wahrscheinlicher, denn für das zur Zeit gültige System wurde eine sehr große Datenmenge verarbeitet. Es ist außerdem nicht zu erwarten, daß jeder Stein sein Isotopensystem über die Jahrmillionen perfekt erhalten hat. Diese statistische Wahrscheinlichkeit wird nicht einfach angenommen, sie wird getestet, üblicherweise durch andere Methoden (beispielsweise andere radiometrische Datierungen oder andere Typen von Fossilien), detailliertere Nachuntersuchung der inkonsistenten Daten, Sammeln besserer Proben oder durch Wiederholung der Messung. Die Geologen suchen nach einer Erklärung der Inkonsistenz und entscheiden nicht einfach willkürlich, daß 'die Daten falsch sein müssen, weil sie im Widerspruch zur geltenden Zeittafel stehen'.
 
Wenn es sich um eine kleine, aber signifikante Inkonsistenz handelt, könnte diese anzeigen, daß die geologische Zeittafel eine kleine Revision benötigt. Das geschieht ständig. Die fortgesetzte Revision der Zeittafel als Ergebnis neuerer Daten zeigt, die Geologen gewillt sind, selbige infrage zu stellen und zu korrigieren. Die geologische Zeittafel ist bei weitem kein Dogma.
 
Wenn die neuen Daten aber stark abweichen (mit 'stark' meine ich Größenordnungen), ist es viel wahrscheinlicher, daß die neuen Daten problematisch sind, aber die Geologen sind nicht zufrieden, bevor sie eine echte geologische Erklärung für die Abweichung gefunden und geprüft haben. Eine Inkonsistenz bedeutet oft, daß etwas geologisch Interessantes passiert, und es besteht immer eine geringe Wahrscheinlichkeit, daß hier die Spitze einer Revolution im Verständnis der Erdgeschichte vorliegen könnte. Zugegeben, diese Möglichkeit ist SEHR gering. Die Wahrscheinlichkeit, daß das allgemeine Verständnis der geologischen Geschichte (beispielsweise, daß die Erde Millarden von Jahren alt ist) sich ändert, ist praktisch Null. Die Datenfülle, die obige Interpretation stützt ist gewaltig, sie stammt aus vielen Bereichen und Methoden (nicht nur der radiometrischen Datierung) und eine neue Entdeckung müßte praktisch alle vorherigen Daten widerlegen, um deren Deutung im großem Umfang zu ändern. Ich kenne keine gültige Theorie, die erklären könnte, wie so eine umwälzende Änderung passieren könnte, ganz davon abgesehen, welche Daten eine solche Theorie stützen sollten, obwohl es einige fehlschlüssige Versuche gegeben hat (beispielsweise die klassischen Hinweise auf Mondstaub, Zerfall des Erdmagnetfelds und Salz in den Ozeanen), diese Argumente zu liefern.



weiter
nächster 
Abschnitt
zurück
voriger 
Abschnitt
Übersicht
Übersicht