Ein theoretisches Beispiel

Um zu zeigen, wie relative und numerische / absolute Datierungsmethoden verknüpft werden, ist es nützlich, zuerst ein theoretisches Beispiel zu betrachten. Wenn man den Hintergrund, der oben dargestellt wurde, berücksichtigt, kann die Information für eine geologische Zeittafel wie folgt verbunden werden:
 
 
Abbildung 2. Wie relative Datierung von Ereignissen und radiometrische (Zahlenwerte) Datierungen miteinander verknüpft werden, um eine kalibrierte geologische Zeittafel zu erhalten. In diesem Beispiel zeigen die Daten, daß 'Fossil B - Zeit' irgendwann vor 151 und 140 Millionen Jahren war, und daß 'Fossil A - Zeit' mehr als 151 Millionen Jahre zurückliegt. Beachten Sie, daß wegen der Lage der datierten Schichen Bedarf für genauere Zeitangaben über die fossilführenden Schichten bleibt (beispielsweise könnte man nach einer datierbaren Vulkanasche in 40 - 45 Metern Tiefe suchen, um die Zeit des ersten Auftauchens von Fossil B weiter einzugrenzen).

Eine kontinuierliche senkrechte stratigraphische Folge wird die Reihenfolge des Auftretens von Ereignissen anzeigen (Säule 1 in Abbildung 2). Diese werden als 'relative Zeittafel' zusammengefaßt (Säule 2 in Abbildung 2). Die Geologen können sich nun auf Zeitabstände in der Form 'vor dem ersten Auftauchen von Fossil A',  'während der Existenz der Art A' oder 'nach dem Vulkanausbruch #1' beziehen (im in der Abbildung 2 dargestellen Beispiel kann man mindestens 6 deratiger Unterteilungen machen). Damit diese Art 'relativer Datierung' funktioniert, muß man sicher sein, daß die Abfolge der Ereignisse einmalig ist (oder zumindest, daß die mehrfachen Ereignisse erkannt sind -- beispielsweise, 'die erste Asche-Schicht' und 'die zweite Asche-Schicht') und daß diese im Bereich der zu untersuchenden Fläche in etwa gleichzeitig stattfanden. Einmalige Ereignisse können biologischer Natur (beispielsweise das erste Auftreten einer bestimmten Organismenart) oder nicht-biologischer Natur (beispielsweise die Ablagerung von Vulkanasche mit einer bestimmten Chemie und Mineralogie über einer größeren Fläche) sein, außerdem wird sich ihre räumliche Ausdehnung oft unterscheiden. Im Idealfall suchen die Geologen nach Ereignissen, die zweifelsfrei erkennbar sind, in einer nachvollziehbaren Reihenfolge auftreten und globale Ausmaße haben, um damit eine geologische Zeittafel zu konstruieren, die weltweite Gültigkeit hat. Man kennt einige solcher Ereignisse.

Die Grenze zwischen Kreide und Tertiär beispielsweise wird aufgrund des weltweiten Aussterbens einer großen Zahl von Lebewesen (darunter Ammoniten, Dinosauriern und so weiter), des ersten Vorkommens neuer Organismentypen, der Anwesenheit geochemischer Anomalien (vor allem Iridium) und unüblichen Mineralien, die auf einen Meteoriten-Einschlag hindeuten (Kügelchen, die durch hohen Druck geschmolzen wurden und Quarz, der unter hochem Druck stand), bestimmt. Solche Abfolgen von klar bestimmbaren Ereignissen lassen den eindeutigen Schluß zu, daß die Schichtenfolge der Erde tatsächlich weltweit gilt. Auch ohne dieses Wissen wäre  es immer noch möglich, lokal begrenzte geologische Zeitskalen aufzustellen.
 
Obwohl die Vorstellung, daß identifizierbare physikalische und biotische Ereignisse gleichzeitig stattfanden, wie eine 'Annahme' aussieht, ist sie es nicht. Man kann, und es wurde, in unzähligen Weisen seit dem 19. Jahrhundert getestet, in einigen Fällen, indem man unterscheidbare Einheiten seitwärts hunderttausende von Kilometern verfolgte und sehr sorgfältig beobachtete, ob man eine Änderung in der Abfolge der Ereignisse fand. Geologen finden manchmal Ereignisse, die 'diachron' sind (das heißt, nicht überall gleich alt sind), aber obwohl dies zur Vorsicht mahnt, ist es, nach gründlicher Prüfung, offensichtlich, daß viele Ereignisse wirklich im Rahmen der Auflösung der geologischen Überlieferung gleichzeitig stattfanden.
 
Weil jede neu untersuchte Fundstelle von anderen Fundstellen unabhängige fossile, superpositionale oder radiometrische Daten aufweist, die bisher noch nicht in die globale geologische Zeittafel eingebaut wurden, dienen alle Datentypen sowohl als ein unabhängiger Test untereinander (auf lokaler Ebene) als auch der globalen geologischen Zeittafel selber. Der Test ist mehr als einfach ein 'falsch' oder 'richtig', denn es gibt eine gewisse Unsicherheit in allen Altersbestimmungen. Beispielsweise mag eine Inkonsistenz darauf hinweisen, daß eine bestimmte geologische Schichtengrenze eher vor 76 Millionen Jahren als vor 75 Millionen Jahren angelegt wurde, was dazu führen kann, daß die Altersschätzung revidiert wird, aber das macht die ursprüngliche Schätzung nicht total 'falsch'. Die Bedeutung hängt von der genauen Situation ab, und davon, wieviel Daten vorhanden sind, die Hypothesen zu testen (beispielsweise, ist das Fossil doch etwas weiter verbreitet, als vorher angenommen wurde, oder könnte die Grenzen zwischen zwei Perioden doch ein etwas anderes Alter haben?). Wie dem auch immer sei, die momentan gültige geologische Zeittafel macht Voraussagenüber die Verhältnisse zwischen relativer und absoluter Datierung an einer bestimmten Stelle, und das Sammeln von neuen Daten bedeutet, daß die geologische Zeittafel ständig verfeinert wird und mit zunehmender Genauigkeit bekannt ist. Diesen Trend kann man erkennen, wenn man die Geschichte der bisher vorgeschlagenen geologischen Zeittafeln betrachtet (beschrieben im ersten Kapitel von [Harland et al, 1982, p.4-5] und weiter unten).



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