Zunächst einige Bemerkungen zur Person ReMines. Er beschreibt seine Ausbildung und seinen naturwissenschaftlichen Hintergrund wie folgt:
Thomas Kuhn bemerkt, dass neue Einsichten oft von Forschern gewonnen werden, die neu in einem bestimmten Bereich sind, weil sie ihr eigenes Hintergrundwissen einbringen und dieses in neuartigen Weisen anwenden. Das ist auch hier der Fall. Meine Forschung im Bereich Schöpfung/Evolution begann etwa vor 20 Jahren und die mühevolle Arbeit an diesem Buch begann vor 11 Jahren. Mein Studienabschluss und Berufsleben befassten sich mit Mustererkennung, Signalverarbeitung, Entwicklung biomedizinischer Geräte und Radiowesen. Dabei spielte das Problem der Erkennung von Mustern und Botschaften eine gewisse Rolle und damit zusammenhängend, wie man Mustern und Botschaften konstruieren sollte, damit sie vernünftigerweise von Beobachtern als solche erkannt werden. Zusätzlich gab mir dieser Hintergrund den Anstoß, Muster-Analyse in einer abstrakteren Weise anzuwenden: auf der Ebene der Theorien. Dieses Buch befasst sich mit zwei Ebenen von biologischen Mustern: dem Muster der Daten und dem Muster der Theorien, welche zur Erklärung dieser Daten eingeführt wurden.
ReMine hat demnach keine formale fachwissenschaftliche Ausbildung in Biologie erhalten. Das ist selbstverständlich kein Nachteil, weil dadurch, wie oben angemerkt, neue Gesichtspunkte in die Diskussion eingebracht werden. ReMine ist von seiner Denkweise eher an der Physik orientiert und bringt von daher eine andere Form von 'Betriebsblindheit' mit. Das wird sehr deutlich, wenn man seine Ansprüche an Naturwissenschaft untersucht. Er ignoriert fast vollständig, dass innerhalb der Biologie, vor allem in der Evolutionsbiologie, diese an der Physik orientierte Wissenschaftstheorie weniger angebracht ist. Das habe ich an anderer Stelle ausführlicher dargestellt.
Hier sei lediglich angemerkt, dass Evolution ein historischer Prozess ist, der, im Gegensatz zu den meisten physikalischen Vorgängenen, nicht reproduzierbar ist. Genausowenig sind konkrete Vorhersagen möglich. Daraus aber abzuleiten, dass Evolutionsforschung keine Wissenschaft ist, finde ich nicht angebracht. Nebenbei können Sie bei der Lektüre des obigen Zitats erkennen, dass ReMine Bescheidenheit nicht gerade fremd ist.
Kreationistische Bücher von Naturwissenschaftlern sind üblicherweise nach folgendem Muster gestrickt: zunächst werden Befunde aus dem Bereich, in dem sich der jeweilige Autor gut auskennt, ausführlich dargestellt. Dann folgt eine Schilderung von Versuchen, diese Phänomene naturalistisch, beispielsweise evolutionistisch, zu erklären. Dies erfolgt anhand von Zitaten von nicht-kreationistischen Autoren. Diese werden anschließend widerlegt, entweder, indem möglichst nicht-kreationistische Autoren gegeneinander 'ausgespielt' werden oder indem die Ungültigkeit der Argumentation aufgezeigt wird. Wenn das gelingt, wird daraus eine Stütze der eigenen Position abgeleitet. In vielen Fällen bleibt die eigene Position aber eher dunkel, sie wird zumindest nicht in einer Form mitgeteilt, die eine ähnlich umfassende Prüfung ermöglichen würde, wie das bei naturwissenschaftlichen Theorien der Fall ist.
Diese Einschätzung trifft in vielen Punkten auch auf ReMines Buch zu. Wie Sie anhand des Inhaltsverzeichnisses leicht erkennen können, stellt er in erster Linie nicht seine Message Theory dar sondern versucht, die Evolutionslehre zu widerlegen. Seine Message Theory wird zwar immer wieder erwähnt, aber nicht zusammenhängend dargestellt. Zumindest genügt das, was im vorliegenden Buch dargestellt ist, bei weitem nicht aus, um eine alternative Weltanschauung zur Evolutionslehre zu begründen. Vor allem kann ich nicht erkennen, inwiefern seine Theorie falsifizierbar sein könnte, jedenfalls nicht mehr als irgendeine Theorie im Rahmen der Evolutionslehre. Darauf werde ich an anderer Stelle ausführlich eingehen.
ReMine stellt seine Ziele wie folgt dar (Einrückungen von
mir):
Mit diesem Buch verfolge ich vor allem folgende Ziele:
(1) den Weg für eine naturwissenschaftliche Lösung der Kontroverse freizumachen;
(2) eine eingehende Dokumentation zu erstellen (eine mühevolle aber notwendige Aufgabe in dieser Auseinandersetzung);
(3) Details zu vermeiden, die zur Erhellung und Lösung dieser Sachverhalte nicht erforderlich sind; und
(4) das Thema für eine breite Hörerschaft interessant und verständlich zu machen.
Die beiden ersten Ziele stehen oft in heftigem Konflikt zu den letzten. Ich musste oft Kompromisse eingehen und ich hoffe, dass mir das gelungen ist.
Im Text sowie im Inhaltsverzeichnis und der Übersicht finden Sie Links zu Texten, in denen ich einzelne Punkte meiner Kritik anhand von Zitaten etc. deutlich mache. An dieser Stelle soll lediglich mein Gesamteindruck geschildert werden.
ReMine scheint unter 'den Weg für eine
naturwissenschaftliche Lösung freimachen' eine
Widerlegung des derzeitigen Stands der Naturwissenschaften
zu verstehen, die, zumindest methodisch, naturalistisch
ausgerichtet sind. Wie ich später noch
ausführlicher darstellen werde, ist das der falsche
Weg, einen Paradigmenwechsel herbeizuführen. Für
dieses Ziel wäre eine ausformulierten Alternative
erforderlich. Ich werde zeigen, dass seine Message Theory,
zumindest in der Form, in der sie im vorliegenden Buch
dargestellt ist, diesen Ansprüchen nicht gerecht wird.
Es gelingt ReMine allerdings sehr gut, anhand von sorgfältig zusammengestellten Zitaten, darzustellen, dass die Evolutionslehre im Fluss ist. Er spielt recht geschickt Vertreter unterschiedlicher Positionen gegeneinander aus. Er sieht allerdings nicht, dass das weder ein Argument gegen eine Evolution noch gar eine Stütze seiner eigenen Position ist. Vor allem sehe ich nicht, warum ausgerechnet seine Message Theory eine naturwissenschaftliche Lösung der Kontroverse um Evolution oder Schöpfung sein sollte. Mir scheint, dass ReMine die Komplexität der Problematik nicht voll erfasst hat. [ zurück ]
ReMine hat dieses Ziel mit seinem Buch vermutlich
erreicht. Er belegt seine Ablehnung der Evolution durch
viele Zitate von Evolutionisten, anhand deren sich der
Leser ein Bild von einigen Kontroversen machen kann, die
derzeit innerhalb der Evolutionslehre vorherrschen. ReMine
ist darin zuzustimmen, dass Evolutionisten ihre jeweiligen
Probleme herunterspielen. Im Gegensatz zu ReMine würde
ich das 'smorgasbord', als das er die Evolutionslehre
bezeichnet, als Beleg dafür werten, dass es sich bei
der Evolutionsforschung um eine fruchtbare Wissenschaft
handelt, die sich kräftig entwickelt.
Die Auswahl der Literaturstellen ist jedoch sehr 'einseitig'. Wenn man das Literaturverzeichnis näher analysiert, findet man dort recht wenige der 'klassischen' Werke der Evolutionslehre. Unter den Zitaten sind diese eher noch seltener vertreten. Sehr häufig findet man dagegen Zitate aus 'Kampfschriften' von Evolutionisten, die nur im Zusammenhang mit der Situation in Amerika verstanden werden können. Auf diese werde ich später noch detaillierter eingehen. Auf jeden Fall zeichnet er so eher ein Zerrbild der Evolutionsforschung.
Außerdem ist die Auswahl der Autoren sehr 'willkürlich'. Stephen Jay Gould beispielsweise wird sehr häufig zitiert (im Literaturverzeichnis findet man fast 50 Werke dieses Autors aufgelistet), allerdings meist aus seiner Kolumne in 'Natural History' und nicht aus Arbeiten in Fachzeitschriften. Gould ist zwar mit Sicherheit der bekannteste Paläontologe in den USA, seine Positionen sind aber innerhalb der Fachwelt, gelinde gesagt, umstritten. ReMine stellt Gould's Durchbrochene Gleichgewichte ('punctuated equilibria') ausführlich dar, erwähnt aber nicht, dass es innerhalb der Paläontologie massive Einwände gegen diese Auffassung von Evolution gibt (zumindest findet man keine diesbezüglichen Arbeiten im Literaturverzeichnis). ReMines Darstellung, dass es sich hier um einen 'Trick' der modernen Evolutionisten handele, mit dem Fossilbefund (speziell den fehlenden Übergangsformen) klarzukommen, geht an der Realität vorbei. Auf der einen Seite ist diese Diskussion schon wesentlich älter (hier seien nur Schindewolf und Goldschmidt aus den 40er Jahren erwähnt, seit Darwin wird diese Thematik kontrovers diskutiert), auf der anderen Seite ist nicht geklärt, wie komplett der Fossilbefund ist. Der Stand der Dinge ist derzeit, dass es praktisch unmöglich ist, diese Theorie anhand des Fossilbefunds zu testen, weil dessen 'Auflösung' für diese Fragestellung zu 'grob' ist. ReMines Buch ist ein 'Kampfbuch', eine objektive Darstellung der inner-evolutionistischen Kontroversen kann man sicher nicht erwarten. [ zurück ]
Meiner Meinung nach führt ReMine auf der einen Seite
viel zu viele Details an (beispielsweise über
Populationsgenetik), auf der anderen Seite ist die
Darstellung äußerst oberflächlich
(beispielsweise im Zusammenhang mit dem Fossilbefund oder
gar bei den Durchbrochenen Gleichgewichten). Das
läßt darauf schließen, dass er die
Bereiche, die er überblickt, stärker wertet als
den Rest. Meiner Meinung nach wäre es sinnvoller
gewesen, ein kürzeres Buch zu schreiben, in dem die
Bereiche wegfallen, in denen er die erforderliche Kompetenz
nicht aufweist. [ zurück ]
Ich gehe davon aus, dass es ReMine gelungen ist, ein Buch
zu schreiben, das in gewissen Kreisen erfolgreich ist.
Obwohl dieses Buch von Kreationisten wärmstens
empfohlen wird, kann ich nicht nachvollziehen, woran das
liegt. Selbstverständlich gilt das Sprichwort 'Der
Feind meines Feindes ist mein Freund'. ReMine
läßt wirklich keine Gelegenheit aus, die
Evolutionslehre zu attackieren. Auf der anderen Seite ist
seine Alternative, die Message Theory, zumindest in der
Form, wie er sie in seinem Buch darstellt, kaum mit
kreationistischen Positionen zu vereinbaren. Das scheinen
diese auch zu erkennen, wie Sie an dem
Beiblatt ersehen können, das dem Buch beilag. [ zurück ]
Evolutionisten brauchen sich vor den angeblichen Widerlegungen in ReMines Buch keine Sorgen zu machen. Der von ihm vertretene Ansatz (die Message Theory) ist prinzipiell nicht in der Lage, Evolution als historische Tatsache zu widerlegen. Die Erkenntnis, dass Stammbäume Hypothesen sind und dass man bisher die Mechanismen für die Enstehung von Neuem (noch?) nicht kennt, findet man auch in modernen Lehrbüchern der Evolutionsforschung. Dass der momentane Stand der Erkenntnis einen Lückenbüßergott erforderte, vermag ich daraus nicht abzuleiten. Was ReMines Sender der Biotic Message erklären soll, vermag ich nicht zu erkennen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass ReMines Buch durchaus wertvoll ist. Es kann Evolutionisten dazu dienen, ihre Position kritisch zu überdenken. Kreationisten kann es als 'Steinbruch' für Argumente dienen. Eins leistet es aber nicht: aufzuzeigen, dass die Message Theory eine ernstzunehmende Alternative ist. Diese 'lebt' vor allem von der Kritik. ReMine macht diesbezüglich nur sehr nebulöse Aussagen. Konkrete Angaben (beispielsweise in der Form: Wann wurde was geschaffen?) findet man nirgends. Deshalb ist es auch praktisch nicht möglich, diese Theorie zu falsifizieren.
an Thomas Waschke | Stand: 28. Juli 2000 |
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