Meine weltanschauliche Position

Ich bin überzeugter Agnostiker und praktizierender Atheist. Das sollte ich vielleicht etwas näher erklären.

Als ausgebildeter Naturwissenschaftler bin ich methodischer Naturalist. Das heißt, ich lasse in diesem Bereich nur Erklärungen gelten, die von innerweltlichen Ursachen ausgehen. Das hat natürlich seine Gründe. Es macht einfach keinen Sinn, irgendwelche Wesenheiten zu postulieren, die genau dann einspringen, wenn man mit dem momentanen Stand der Erkenntnis nicht mehr weiterkommt. Eben den berühmten Lückenbüßergott, der bekanntlich an Wohnungsnot stirbt, wenn sich der Stand der Wissenschaft wieder mal ändert.

Das bedeutet natürlich nicht, dass ich behaupte, es gebe keine solchen Wesenheiten. Das kann man nicht beweisen, weil man diese ja von vorneherein ausklammert. Daher lehne ich den Atheismus als Weltanschauung genauso ab wie den Glaube an irgendeinen Gott. Man sollte einfach das Alltagsgeschäft ordentlich führen und still darauf vertrauen, dass sich Gott oder wer auch immer offenbaren würde, wenn er es für angebracht hält. Nun gibt es aber eine ganze Reihe von Religionen, die sich auf eine Offenbarung berufen. Leider ist das nur eine Behauptung, für die es für einen Außenstehenden so gut wie keinen Beweis gibt. Es wäre mir jedenfalls neu, dass die Christen den Koran als Wort Gottes anerkennen. Das gilt natürlich sinngemäß für jedes Paar von Religionen. Daraus schließe ich, dass sich diese Vorstellungen gegenseitig aufheben.

Selbstverständlich ist für mich auch Jesus kein Thema. Wenn ich nicht an den Vater glaube, ist der Sohn für mich auch nicht weiter interessant. Die Bibel mag ein wundervolles Buch sein, aber eben nur ein Glaubensbuch unter vielen. Auch eine Erlösung ist für mich kein Thema, weil ich nicht sehe, wo ich dafür Bedarf hätte. Wenn ich Fehler gemacht habe, dann habe ich die Pflicht, diese hier und in diesem Leben wieder gut zu machen. Niemand kann mir meine Verantwortung abnehmen. Sollten meine Fehler nicht mehr gut zu machen sein, muss ich mit meiner Schuld fertig werden.

Es ist durchaus möglich, dass es einen Schöpfer dieses Universums gibt, trotzdem lehne ich positive Religionen ab. Sie widersprechen sich untereinander, es ist nicht abzumachen, welche denn nun die richtige ist. Man braucht sich dazu nur vor Augen zu halten, welche Strömungen es beispielsweise innerhalb der Gruppe gibt, die sich auf die Bibel beruft. Diese reichen von orthodoxen Juden über Christen jeglicher Couleur bis hin zu Theologen, die den Tod Gottes predigen. Es ist für mich einfach nicht vorstellbar, wie man hier eine vernünftige Wahl treffen könnte.

Es wäre eigentlich nicht weiter schlimm, dass es Religionen gibt. Leider lehrt die Geschichte, dass das Zusammenleben der Menschen wesentlich einfacher wäre, wenn es keine Religionen gäbe. Wieviel schneller wäre beispielsweise im Nahen Osten ein Friedensabkommen möglich, wenn man sich lediglich sachlich darüber streiten müsste, wie die Ressourcen gerecht verteilt werden, aber dabei nicht immer darauf achten müsste, ob dabei nicht vielleicht dummerweise der Geburts- oder Sterbeort irgendeines Religionsstifters in die falschen Hände geriete. Solche Beispiele gibt es in beliebiger Zahl.

Ob beispielsweise das Christentum zur Verbesserung der Menschheit beigetragen hat, dürfte der Gang der Geschichte hinlänglich beantworten. Gerade zu den Zeiten, als die Christen unangefochten das Sagen hatten, war das Leben nicht besonders angenehm. Manche gehen sogar so weit, den Weg des Christentums durch die Geschichte als eine Blutspur zu bezeichnen. Ich finde es auch fraglich, ob es angeht, die Etablierung der modernen Menschenrechte, auf die sich auch unsere Verfassung stützt, als Leistung des Christentums zu betrachten. Die (christlich geprägten) Verkünder derselben hatten es meist nicht leicht, gerade diese Werte gegen das (christliche) Establishment durchzusetzen. Zudem kann man fragen, ob man die Werte, die von diesen Menschen vertreten wurden, nicht auch ohne metaphysische Verbrämung vertreten kann.

Glaubensgrundsätze verhindern zudem eine sachliche Diskussion. Wenn man sich beispielsweise darüber unterhält, ob man Schweinefleisch essen sollte, würde eine sachliche Diskussion etwa darin bestehen, zu klären, ob der Genuss von Schweinefleisch Gefahren für den Menschen birgt. Sollte das tatsächlich der Fall sein, könnte man versuchen, dem zu begegnen, beispielsweise durch Fleischbeschau oder bestimmte Zubereitungsformen der Nahrung. Wenn man aber argumentiert, dass ein Gott in der Bibel oder sonstwo verboten hat, Schweinefleisch überhaupt zu essen, braucht man nicht mehr weiter zu reden. Für eine Religion spricht natürlich nicht, dass sich wissenschaftliche Forschung nicht unterscheidet, ob sie von Christen, Theisten oder Agnostikern betrieben wird. In der Vergangenheit wurden die Grundlagen in so gut wie allen wichtigen Disziplinen der Naturwissenschaften von tiefgläubigen Menschen gelegt. Selbstverständlich haben sie sorgfältig und methodisch korrekt geforscht. Linné beispielsweise verstand sich als Buchhalter Gottes. Seine Systematik ist im wesentlichen auch heute noch gültig. Dasselbe gilt für Newton, dessen physikalische Erkenntnisse immer noch gelten. Es macht aber keinen Sinn, daraus irgendwelche Aussagen über die Existenz oder Nichtexistenz eines Gottes oder des Nutzens einer Religion machen zu wollen, solange ein Gott in den Theorien, welche diese Forscher aufstellen, nicht vorkommt. Naturwissenschaft ist aber nur unter dieser Annahme möglich: Ein Gott, der in die Experimente eingreift, würde Forschung unmöglich machen.

Aus den genannten Argumenten gegen die Annahme von Gottheiten oder deren Bedeutung für die Ethik oder die Forschung folgt selbstverständlich nicht, dass man deren Existenz widerlegen könnte. Ich kenne kein Argument dagegen, dass sich der Himmel plötzlich teilt und irgendein Gott herniederfährt und mit einem Wertgericht anfängt. Wenn in meinen Augen auch nichts für diese Annahme spricht, ist sie dennoch ausreichend, um den Atheismus zu 'widerlegen'.

Aus allen diesen Gründen finde ich, dass die einzige haltbare Position ist, sein Leben nicht an übernatürlichen Wesenheiten auszurichten und keiner Religionsgemeinschaft anzugehören. Also Agnostiker zu sein und als Atheist zu leben.


E-Mail an Thomas Waschke an Thomas Waschke Stand: 5. November 2012