Der folgende Text wurde mir freundlicherweise von der Studiengemeinschaft Wort und Wissen zur Veröffentlichung auf meiner Site überlassen. Dieses Interview ist ursprünglich in factum 1/2003 S. 35 und 37 erschienen. In factum erscheinen in unregelmäßigen Abständen Artikel über Evolution, in denen Autoren zu Wort kommen, die eher kreationistisch orientiert sind. Diese Zeitschrift können Sie auf der HomePage von factum bestellen.
Selbstverständlich habe ich diesen Text so, wie ich diesen von Wort und Wissen erhalten habe, hier wiedergegeben. Ich habe allerdings die Formatierung dem Stil meiner Site angepasst und die Stellen, die ich zitiert habe, farblich hervorgehoben. Sie können so leicht im Kontext nachprüfen, ob meine Darstellung zutreffend ist. Die Überschriften der folgenden Tabelle stammen von mir.
Die Fragen stellte Herr Höneisen, der Chefredakteur von factum, .
Herr Professor, was verbinden Sie mit dem Wort Evolution?
Unter Evolution verstehe ich diejenige Ursprungslehre, welche die Entstehung der ersten Zelle (chemische Evolution) und deren Entwicklung hin zu allen heute existierenden Lebewesen (biologische Evolution) vollständig und ausdrücklich ohne Zuhilfenahme übernatürlicher Faktoren zu erklären versucht.
Die Evolutionsforschung gliedert sich in verschiedene Teildisziplinen aus Biologie, Chemie, Geologie und Physik. Teile der Evolutionsforschung gehören in den Bereich der empirischen Wissenschaften, beispielsweise die Untersuchung von Variations-, Selektions- und Artbildungsprozessen (Mikroevolution). Ich habe viele evolutionsbiologisch orientierte Kollegen, die auf diesen Gebieten ausgezeichnete wissenschaftliche Arbeit leisten. Übrigens bin ich der Meinung, daß Charles Darwin ein hervorragender Biologe war; viele seiner Erkenntnisse haben auch heute noch Gültigkeit.
Andere wichtige Bereiche der Evolutionsforschung sind der experimentellen Methode der Naturwissenschaften grundsätzlich nicht zugänglich, beispielsweise die Entstehung der Tierstämme oder der vermutete Übergang zwischen verschiedenen Tier- und Pflanzengruppen (Makroevolution). Diese Teildisziplinen interpretieren naturwissenschaftliche Fakten, arbeiten dabei jedoch mit Verfahren, die viele Ähnlichkeiten zu geisteswissenschaftlichen (z.B. historischen) Methoden aufweisen. Auch wenn sie ihre Aussagen anders begründen als empirische Wissenschaften und mit Mutmaßungen arbeiten müssen, sind sie deshalb nicht "weniger wissenschaftlich".
Schließlich stelle ich immer wieder fest, daß die Evolutionslehre als Ganzes mit persönlichen Glaubensentscheidungen verbunden ist, was ich achte. Das erklärt m.E. den Absolutheitsanspruch, mit dem diese Lehre ausdrücklich auftritt. Absolutheitsansprüche sind immer ein Kennzeichen der Religion, niemals der Wissenschaft.
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Das von Ihnen und Dr. Junker herausgegebene Lehrbuch
"Evolution" belegt, dass Ursprung und Geschichte des Lebens nicht
ohne weltanschauliche Grenzüberschreitungen erforscht werden können.
Nun wurde dieser Titel mit dem Schulbuchpreis 2002 ausgezeichnet. Hat die Jury
das an den Schulen nicht akzeptierte Buch überhaupt gelesen?
In der Tat sind Ursprung und Geschichte des Lebens nicht ohne weltanschauliche Grenzüberschreitungen zu erforschen, doch ist es nicht unser Verdienst, darauf als erste hingewiesen zu haben. Es handelt sich bei dieser Erkenntnis um eine vielfach belegte Einsicht, welche unter Wissenschaftsphilosophen und Erkenntnistheoretikern schon lange akzeptiert ist. Daten (z.B. Fossilien) sprechen eben nicht für sich selbst, sondern sie müssen interpretiert werden. Jede Interpretation von Daten beruht auf nicht beweisbaren, oft auch weltanschaulich motivierten Annahmen. Leider weigern sich einige Biologen immer noch nachhaltig, diesen Sachverhalt zur Kenntnis zu nehmen. Ich habe den Eindruck, daß diese Weigerung zuweilen mit einer agnostischen oder atheistischen weltanschaulichen Bindung zusammenhängt. Nur so kann ich mir die teilweise bemerkenswerte Verweigerung des sachlichen Gesprächs erklären, die mir nicht selten begegnet.
Die Jury hat nach meiner Meinung sehr genau verstanden, was das Anliegen unseres Buches war, auch wenn ich nicht davon ausgehe, daß alle Mitglieder das gesamte Werk in allen Einzelheiten gelesen haben. Die Würdigung bezog sich auf unseren Versuch, der einseitigen, weltanschaulich bedingten Festlegung der öffentlichen Diskussion über den Ursprung der Lebewesen mit Sachargumenten zu begegnen. Die Jury hat auch unsere Bemühungen gesehen, konträre Positionen zu respektieren und den Schüler zu einer kritischen, ausgewogenen und sachlichen Auseinandersetzung mit verschiedenen Standpunkten zu führen.
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Evolutionsvertreter geben vor, die Evolution sei
bewiesen, während die Kritik an der Evolutionsbiologie durch Fakten widerlegt
werden könne. Wie ist Ihre Meinung?
Wer behauptet, die Evolutionslehre sei bewiesen, hat erstens nicht verstanden, wie die wissenschaftliche Methode arbeitet: Selbst naturwissenschaftliche Theorien können niemals bewiesen (verifiziert), sondern im günstigsten Fall widerlegt (falsifiziert) werden. Noch viel mehr gilt dies für alle Ursprungslehren (damit auch für die Evolutions- und Schöpfungslehre), weil sie neben empirischen Bereichen grundsätzlich auch historische und weltanschauliche Elemente enthalten. Zweitens sind zentrale Probleme der Evolutionslehre nicht gelöst: Beispielsweise wissen wir nicht, wie die erste Zelle entstanden ist, und wir kennen wir bis heute keine evolutionären Mechanismen, die zu einer Höherentwicklung (Makroevolution) hätten führen können. Diese Tatsache wird durch manche Evolutionsanhänger entweder geleugnet und mit einem Diskussionsverbot belegt, oder die ungelösten Fragen werden als Randprobleme bagatellisiert.
Leider werden auch offene Fragen der Schöpfungslehre, auf die wir in unserem Buch ausdrücklich hinweisen, von manchen Anhängern der Schöpfungslehre geleugnet oder mit Hilfe von wissenschaftlich unhaltbaren Scheinargumenten verteidigt. Es gibt darüber hinaus Kritik von Christen an der Evolutionslehre, welche wissenschaftlich nicht vertretbar ist. In diesen Fällen ist es möglich und auch schon geschehen, daß die Kritiker der Evolutionslehre durch Fakten widerlegt wurden.
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Die Schöpfungstheorie wird von Kritikern oft
als "Extremposition einiger Aussenseiter" bezeichnet. Fühlen
Sie sich als einer dieser Exoten?
Eine Schöpfungstheorie im naturwissenschaftlichen Sinne gibt es nicht und kann es auch nicht geben. Schöpfung muss, ebenso wie Makroevolution, letztendlich geglaubt werden. Deshalb sprechen wir grundsätzlich von Schöpfungslehre und Evolutionslehre (Trotzdem können bestimmte Teilbereiche von Ursprungstheorien wissenschaftlich formuliert werden, s.o.). Zu Ihrer Frage: Es kann überhaupt kein Zweifel daran bestehen, daß die in unserem Buch vertretene Meinung eine Aussenseiterposition ist. Nur eine sehr kleine Minderheit unter den Biologen vertritt meine Ansichten öffentlich - in diesem Sinne bin ich sicher ein Exot.
Sie stellen richtig fest, daß unser Buch an staatlichen Schulen nur wenig vertreten ist. Ich kann die Weigerung der Schulen und Schulbehörden, die Schöpfungslehre in den Unterricht der öffentlichen Schulen einzuführen, gut verstehen. Offiziell kann nur gelehrt werden, was die große Mehrheit der Wissenschaftler für richtig hält - welchen anderen Maßstab sollten die Schulbehörden denn sonst anlegen? Ich kann allerdings weder verstehen noch akzeptieren, daß sachliche Kritik an der Evolutionslehre sowie der vielfach geführte Nachweis der weltanschaulichen Bindung aller Ursprungslehren beharrlich verschwiegen wird. Unsere Buch wurde geschrieben, um sowohl Lehrern als auch Eltern und Schülern eine angemessene Informationsmöglichkeit zu geben.
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Ist Otto Normalverbraucher, der an Gott und seine
Schöpfung glaubt, ein bemitleidenswerter Tor, dem das nötige Schulwissen
fehlt? Oder anders gefragt: Treiben die Hochschulen unseren Kindern den Glauben
aus?
Durch die einseitige, evolutionsgebundene Ausrichtung der Medien ist es nicht verwunderlich, daß sich viele schöpfungsgläubige Menschen in der Defensive fühlen und verunsichert sind. Kein Mensch sollte sich jedoch als Tor fühlen, weil er an Schöpfung glaubt - genausowenig sollten evolutionsgläubige Menschen durch Christen diskriminiert werden.
Zuweilen werden unsere Kinder in der Schule materialistisch geprägt - das geschieht jedoch keineswegs nur im Biologieunterricht und hängt nach meiner Erfahrung ohnehin stark von den individuellen Lehrern ab. Auch Eltern haben die Möglichkeit, diesbezüglich erheblichen Einfluß auszuüben, wissen das aber meist nicht. Ich persönlich hätte zwar gerne eine christliche Prägung unserer Schulen. Allerdings leben wir auch in Mitteleuropa in einer nachchristlichen Ära. Mit welchem Recht und mit welchen Mitteln soll die kleine, christlich aktive Minderheit unseres Landes für alle Bürger verbindlich eine christlich orientierte Erziehung durchsetzen? Was aber eingefordert werden muß, ist die weltanschauliche Neutralität des Biologieunterrichtes an unseren staatlichen Schulen - und davon sind wir meines Erachtens inzwischen weit entfernt.
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Auf welche Begriffe könnten Sie am ehesten
verzichten, ohne Ihre Weltanschauung zu tangieren: "Natur", "Zufall",
"Liebe", "Tod", "Gott", "Planung", "Selektion",
"Wunder"?
Darf ich die Frage entgegengesetzt beantworten? Folgende Begriffe sind für meine persönliches Leben zentral: Gott - Liebe - Wunder. Ich sehe für diese Begriffe in einem evolutionär-materialistischen Weltbild keinen Raum. Werden sie dort dennoch benutzt, bleiben sie nach meiner Meinung letztlich inhaltsleer . So bin ich dankbar, daß ich in einer Welt leben darf, in der uns die Heilige Schrift eine über den Tod hinaus reichende Hoffnung offenbart.
Siegfried Scherer, geb. 1955, studierte Biologie. Nach der Promotion und einem Forschungsaufenthalt in USA habilitierte er 1991 und wurde im selben Jahr als Professor für Mikrobielle Ökologie und Direktor des Instituts für Mikrobiologie an eine bekannte deutsche Universität berufen. Sein Name steht auf über 130 biologischen Fachveröffentlichungen und mehreren Patenten. Er ist Vorsitzender der Studiengemeinschaft Wort und Wissen.
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an Thomas Waschke | Stand: 16. Januar 2003 |