Markus Rammerstorfer 13.03.03
Ein Grundriss der Intelligent-Design-Theorie.
Ich lese die Beiträge zur Intelligent-Design-Debatte mit großem
Interesse und möchte nun auch meine Meinung dazu beisteuern. In dieser
Debatte wurde bislang nicht behandelt, was die Intelligent-Design-Theorie
eigentlich ist. Man hat zwar einige bruchstückhafte Äußerungen
gehört, aber ein zusammenhängendes Bild ergibt sich daraus nicht.
Vielleicht hilft folgende Darstellung der Grundprinzipien:
Arbeitsweise der Intelligent-Design-Theorie
Die Intelligent-Design-Theorie ist ein Mittel zur Erkennung von intelligentem
Eingreifen, etwa wenn es um Signalreihen geht. Signalreihen, die auf eine
Intelligenz zurückzuführen sind, tragen bestimmte Charakteristika,
die eine Unterscheidung von Zufallsreihen (also "natürlich entstandenen
Signalreihen": natürlich entstandene "Signalreihen"
sind keine echten Signalreihen, sondern Zufallsreihen) ermöglichen.
Auf diesen Überlegungen beruht etwa das SETI-Projekt, bei dem es gilt,
mögliche Signale außerirdischer Intelligenzen zu erkennen. Der
Grundgedanke ist natürlich auch auf andere Gebiete übertragbar
- es ändern sich zwar Details in der Arbeitsweise, das Prinzip bleibt
jedoch gleich.
Wurden nun Zeichen irgendwelcher Art gefunden, die aller Erfahrung nach
typisch für Intelligent Design sind, gilt es zu überprüfen,
ob nicht auch andere Erklärungen in Frage kommen. Ein Beispiel: Wenn
jemand zehn Jackpots in Serie knackt, liegt der Schluss auf (betrügerisches)
Intelligent Design nahe. Da der (potentielle) Betrüger jedoch ein angesehener
und integrer Mann ist, steht auch die Abschätzung der Wahrscheinlichkeit
für diese Serie zur Debatte, man muss also eine Entscheidung zwischen
zwei Erklärungen treffen. In unserem Beispiel ist natürlich klar,
dass der Mann ein Betrüger sein muss. Im Falle des SETI-Projekts stünden
etwa andere, terrestrische Quellen für Intelligent Design zur Untersuchung.
Waren irdische Satelliten für das (vermeintliche) Signal einer fremden
Zivilisation verantwortlich? Gibt es sonstige "Störquellen"?
Die Suche und Erkennung von solchen "Störquellen" ist auch
der Kernpunkt, wenn die Intelligent-Design-Theorie auf die biologische Ursprungsfrage
angewandt wird. In diesem Fall muss man das Descent-with-modification-Prinzip
untersuchen, welches - nach gängiger Lehrmeinung - Strukturen hervorgebracht
haben soll, welche man ansonsten erfahrungsgemäß als typische
Resultate von Intelligent Design werten würde, bzw. bei denen dieser
Gedanke auftaucht.
Ein Beispiel: Sie finden in ihrem Garten vier Äste, die in Form eines
simplen Rechtecks angeordnet sind. Sie erkennen sofort, dass diese Anordnung
untypisch ist und stellen die Hypothese auf, dass diese Äste intelligent
angeordnet wurden. Falsch, werden nun einige Leser einwenden, bei den Ästen
gibt es kein Descent-with-modification-Prinzip, daher bleibt eigentlich
nur der Schluss auf planmäßige Anordnung, der Vergleich hinkt
also. Aber was bedeutet dieser Einwand? Er bedeutet nur, dass es möglicherweise
einen Mechanismus gibt, der die Interpretation von Signalen als Indizien
für Intelligent-Design entkräftet. Nun stelle ich eine etwas provokant
wirkende Frage: Warum betreiben Intelligent-Design-Theoretiker so umfangreiche,
wissenschaftliche Evolutionskritik?
Weil sie damit gründlich die Frage untersuchen, ob das Descent-with-modification-Prinzip
tatsächlich in der Lage ist, die Ergebnisse der Intelligent-Design-Theorie
in Frage zu stellen.
An diesem Punkt setzt ein Gegenargument an, dass Herr Waschke so formuliert
hat:
"Von Seiten der ID-'Theoretiker' kommt nur das 'argumentum ad ignorantiam':
solange nicht bewiesen werden kann, dass Evolution naturalistisch abläuft,
ist es statthaft, einen Lückenbüßer zu postulieren. Dementsprechend
ist das 'Falsifikations'-Kriterium der ID-'Theoretiker' üblicherweise
'Wir geben unsere Theorie auf, sobald die Evolutionstheorie bewiesen ist'.
Das ist als Argument für deren Position etwas insuffzient. Sonst könnte
man sich jede beliebige Phantasie für jedes noch nicht letztlich geklärte
Phänomen ausdenken und verlangen, dass dieses Haltung Ernst genommen
wird, bis das Phänomen geklärt ist." [1]
Demnach wäre die Intelligent-Design-Theorie ein schlichter Lückenbüßer
im großen Gebäude der Evolutionstheorie - und Lückenbüßer
leben gefährlich. Der Ansatz von Herrn Waschke verfehlt jedoch das
Ziel, was durch ein Verständnis der Arbeitsweise der Intelligent-Design-Theorie
ersichtlich wird: Die Zeichen für Intelligent Design sind da, und zwar
in einem überwältigenden Ausmaß. Es müssen nur noch
Störquellen überprüft werden, die möglicherweise für
diese Signale verantwortlich gemacht werden können. Im Rahmen der Intelligent-Design-Theorie
stellt die neodarwinistische Evolutionstheorie also gleichsam einen "Störfaktor"
dar, welcher eine Identifizierung der Signale für Intelligent Design
erschwert und daher mit wissenschaftlicher Sorgfalt untersucht werden muss.
Es stellt sich also die finale Frage: Was kann das Descent-with-modification-Prinzip?
Verfälscht es Signale, die wir ansonsten anstandslos als Intelligent
Design werten würden?
Im SETI-Projekt würde man sagen: "Schön und gut, aller Erfahrung
nach können wir diese Signalreihe einem intelligenten extraterrestrischen
Ursprung zuschreiben, aber könnte es nicht doch ein geheimer Spionagesatellit
(etc.) gewesen sein? Werden unsere Ergebnisse verfälscht? Wir müssen
folglich versuchen, diese Möglichkeit nach besten Wissen zu überprüfen
und auszuschließen."
Im Intelligent-Design-Projekt sagt man: "Schön und gut, aller
Erfahrung nach ist es möglich den Coli-Motor als Signal für intelligentes
Design zu werten, aber könnte er nicht doch ohne Intelligenz und Plan
entstanden sein, durch "descent with modification"? Werden unsere
Ergebnisse verfälscht? Wir müssen folglich versuchen, diese Möglichkeit
nach besten Wissen zu überprüfen und auszuschließen."
Kurz gesagt - und aus der Perspektive eines I.D.-Vertreters: Die Intelligent-Design-Theorie
ist kein Lückenbüßer für die Evolutionstheorie, die
Evolutionstheorie ist ein wissenschaftlich genau zu überprüfender
Störfaktor in der Intelligent-Design-Theorie, oder mit der SETI-Analogie
gesagt: "Ein eventuell vorhandener Spionagesatellit, eine Quelle die
unsere Ergebnisse verfälschen könnte."
Nehmen wir einmal an, man hat Signale für Intelligent Design gefunden,
oder genauer gesagt: Strukturen und Sachverhalte, die der Mensch als Zeichen
von Intelligenz und Plan deutet, und man könnte ferner mit hoher Wahrscheinlichkeit
ausschließen, dass diese auf anderem Wege zustande gekommen sind (Spionagesatelliten,
"descent with modification", ...). Nun folgt der Schluss auf einen
intelligenten Designer als Ursache für die entsprechenden Signale.
Damit - nun wäre es spannend geworden - sind wir am Ende der Intelligent-Design-Theorie
angelangt, diese hat ihren Zweck - die Frage nach Intelligent Design - beantwortet.
Anders gesagt: Wenn Sie wissen wollen, wer dieser intelligente Designer
ist, der in ihrem Garten ein Rechteck angeordnet hat, haben Sie immerhin
eine Grundlage gelegt: Sie wissen mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit,
dass es einen intelligenten Designer gab und können andere Möglichkeiten
nach besten Wissen ausschließen!
Damit dürfte auch jede Form des Kreationismus hinreichend von der Intelligent-Design-Theorie
abgegrenzt worden sein.
Intelligent Design - Theorie: Der Sekundärbereich.
Auf Grundlage der Intelligent-Design-Theorie kann man nun forschen, welche
Schlüsse sich aus den Intelligent-Design-Signalen ableiten lassen.
Ist der Designer naturalistisch oder supranaturalistisch?
Wann hat welcher Designer wie und wo was geschaffen? Nach der Erkennung
der Design-Signale erfolgt nun ihre Interpretation. Das kann z.B. im Sinne
verschiedener Bibelauffassungen geschehen, muss aber nicht. Man kann sich
auch mit der Ansicht begnügen, es existiere "irgendein" Designer.
Es dürfte klar sein, dass Theorienbildungen in Bezug auf den Designer
selbst und den Modus des Designs von persönlichen Glaubensentscheidungen
beeinflusst und motiviert werden.
Unabhängig davon existieren die Ergebnisse der Intelligent-Design-Theorie.
Um wieder auf die SETI-Analogie zurückzugreifen: Die SETI-Wissenschaftler
haben Signalreihen vorliegen, die sie - nach ihrem aktuellen Wissenstand
- als Signale einer extraterrestrischen Intelligenz deuten. D.h., sie haben
den Code erkannt, aber das Wissen darum, dass es tatsächlich ein Code
ist, bleibt natürlich unabhängig davon, ob es ihnen jemals gelingt,
diesen Code zu knacken!
Über die Motivation, die I.D.-Theorie auf die biologische Ursprungsfrage
anzuwenden.
Herr Kutschera hat mir unlängst einen Kommentar zu einigen Sacheinwänden
zukommen lassen, in der er behauptet: "Im Übrigen weise ich darauf
hin, dass das Dogma von Intelligent Design ein Glaubenssatz ist, der mit
Wissenschaft nichts zu tun hat (s. Biologen heute, Dezember 2002)."
[2]
Es ging dabei um eine Befundinterpretation, welche ich im Sinne der I.D.-Theorie
vorgenommen habe. Wenn Hr. Kutschera hier vom Dogma des Intelligent Design
spricht, kann er schwerlich eine Theorie zur Erfassung und Erkennung von
Signalen mit intelligenten Ursprung, in Adaption auf die biologische Ursprungsfrage
meinen. Was aber ist dann mit dem "Dogma von Intelligent Design"
gemeint? Der weltanschauliche Hintergrund, die Motivation für die Anwendung
einer Intelligent-Design-Theorie auf die biologische Ursprungsfrage. In
der Wissenschaft steht es Menschen jeder weltanschaulichen Motivation frei,
wissenschaftliche Theorien und Ansätze zu formulieren. Im Kommentar
auf Herrn Kutscheras Stellungnahme, habe ich das so formuliert:
"Man denke einmal über die Motivation vieler der brillantesten
Wissenschaftler der Vergangenheit nach. Wo stünden wir, wenn man deren
weltanschauliche Vorentscheidung zugunsten eines Schöpfers als Ablehnungsgrund
gebraucht hätte?"
Diese Wissenschaftler haben aufgrund ihrer weltanschaulichen Vorentscheidung
nicht zugelassen, dass der von ihnen praktizierte methodische Atheismus
auch auf die Ursprungsfrage extrapoliert wird. Heute wird dieser methodische
Atheismus meist auch auf die Ursprungsfrage ausgeweitet, ebenfalls aufgrund
weltanschaulicher Vorentscheidungen. Diese besagen, dass nur "naturalistische"
Erklärungen echte Erklärungen seien, dass die Wissenschaft letztlich
alle (wesentlichen) Fragen klären könne und dass alle anderen
Erklärungen (die von Menschen mit anderen weltanschaulichen Vorentscheidungen
vertreten werden) nur Lückenbüßer sein können.
Etliche Wissenschaftler haben offensichtlich Angst, dass die Intelligent-Design-Theorie
gewissermaßen als "Trojanisches Pferd" dienen könnte,
sozusagen zur Infiltrierung der Wissenschaft mit Gott. Dies wird oft bekräftigt,
indem auf die mutmaßliche Motivation von I.D.-Theoretikern verwiesen
wird (vgl. Quelle [3]).
Es ist jedoch fraglich, ob befürchtete Konsequenzen, nämlich,
dass Wissenschaft mit Religion vermischt wird, tatsächlich als Ablehnungsgrund
gegen eine "Theorie zur Erfassung und Erkennung von Signalen mit intelligenten
Ursprung, in Adaption auf die biologische Ursprungsfrage" ausreichen.
Gerade die Intelligent-Design-Theorie ist auf eine scharfe Trennung zwischen
Wissenschaft und Glaube bedacht und wird deshalb auch von religiöser
Seite immer wieder kritisiert. Meinen Erfahrungen nach geht die Intelligent-Design-Theorie
vielen Kreationisten nicht weit genug. Dass Intelligent-Design-Theoretikern
Fehler unterlaufen und ihre persönlichen Glaubensansichten in ihren
wissenschaftlichen Arbeiten erkennbar sein können, ist ein Umstand,
dem man auch innerhalb der Evolutionstheorie regelmäßig begegnet.
Die Wissenschaft, welche Funktion und Aufbau der Natur erforscht, hat jedenfalls
nichts zu befürchten, wenn man den Worten des Wissenschaftshistorikers
FISCHER (2002) glauben darf:
"Wer sich gegen die Evolution ausspricht, muss noch kein Feind der
Wissenschaft sein. (...) Es scheint, dass man im Bereich der Biologie ebensogut
unter Akzeptanz einer evolutionären Ordnung forschen kann wie unter
ihrer Ablehnung. Die Evolution ist dabei fast so etwas wie der Gedanke an
Gott. Ob man ein guter Physiker ist oder nicht, hängt nicht erkennbar
damit zusammen, ob man gläubig oder ein überzeugter Atheist ist.
Dem menschlichen Tun steht hier ein Spielraum zur Verfügung, den es
nicht kleinlich einzuengen gilt." S.299 [4]
Ich möchte hinzufügen: "... indem Motivationen und weltanschauliche
Vorentscheidungen mit der Sache selbst - etwa einer "Theorie zur Erfassung
und Erkennung von Signalen mit intelligenten Ursprung, in Adaption auf die
biologische Ursprungsfrage" - gleichgesetzt werden."
Schlussgedanken
Ich hoffe, damit einige Missverständnisse zur Intelligent-Design-Theorie
ausgeräumt zu haben. Das Prinzip dieser Theorie sollte nun in groben
Zügen erkennbar sein. Fragen in Bezug auf Details der Arbeitsweise
sollen hier nicht diskutiert werden, ich verweise auf die unter [5] angegebenen
Quellen.
Quellen:
[1]Waschke 2003: Beitrag von Herrn Thomas Waschke, Herborn Januar 03 URL:
http://www.vdbiol.de/debatten/evolution/waschke1.html
[2]Rammerstorfer 2003: C3/C4 Photosynthese - Ein Argument gegen Intelligent
Design? URL: http://members.aon.at/evolution/C3C4.htm
[3]Kutschera 2002: Intelligentes Design und Evolution. "biologenheute"
6/2002 S.13/14
[4]Fischer 2002: Die andere Bildung. Ullstein Verlag.
[5]
Dembski 1999: Intelligent Design. InterVarsity Press.
Dembski 2001: Signs of Intelligence: Understanding Intelligent Design. Brazos
Press
Dembski 2002: No Free Lunch: Why Specified Complexity Cannot Be Purchades
Without Intelligence.
Rowman & Littlefield Publishers.
Behe 1996: Darwin's Black Box. The Biochemical Challenge to Evolution. Free
Press.
Intelligent Design im Internet:
International Society for Complexity, Information, and Design:
http://www.iscid.org/about.php
Homepage von Herrn Frieder Meis:
http://homepages.compuserve.de/MeisFrieder/Science/index.htm
Die Webseite von Herrn Dr. Wolf-Ekkehard Lönnig:
http://www.mpiz-koeln.mpg.de/~loennig/internetlibrary.html
Meine private Hompage:
http://members.aon.at/evolution