Hinweis: Zur besseren Lesbarkeit habe ich die ursprüngliche Navigation entfernt und Leerzeilen eingefügt, T.W.

Ideologie auf beiden Seiten

(Zur Kontroverse Evolutionsbiologie gegen Kreationismus in biologen heute 6/2002, S. 12-14)

von Prof. Dr. Christian Kummer, München

Um es vorweg zu sagen: Auch ich glaube nicht an die Diskursfähigkeit der "Intelligent Design"-Theorie - dazu ist ihr Ansatz gegenüber der Evolutionstheorie zu sehr auf einer anderen Ebene. Wo der evolutionär denkende Biologe nach Entstehungswegen für das Unbekannte sucht, hat der Design-Anhänger mit der Annahme eines "Intelligent Designer" die Antwort stets schon parat und blockiert damit von vorn herein den Antrieb zum wissenschaftlichen Forschen. Insofern bietet das "Intelligent Design" keine diskutablen Alternativen für Stellen, an denen Darwins Theorie in Erklärungsnöten steckt (z.B. die Entstehung der Großbaupläne). Sie ist, da hat Kutschera völlig recht, "Creationismus", d.h., wie alle Ismen, eine Ideologie. Allerdings fällt Ideologieverdacht auch auf die Gegenseite, wenn sie gar zu heftig auf Angriffe reagiert. Hand aufs Herz, wer würde sich die Mühe machen, gegen jemanden ernsthaft loszuziehen, der nach wie vor das heliozentrische Weltbild vertritt? Die Sache ist hier einfach zu offensichtlich, als dass sie eine Auseinandersetzung lohnte. Gewiss gibt es zur Evolutionstheorie keine ernsthafte Alternative, und darum kann man als Naturwissenschaftler nicht anders, als sie zu akzeptieren. Aber Alternativlosigkeit allein macht eine Theorie noch nicht überzeugend. Kutschera gibt denn auch zu, das es sich bei der Synthetischen Theorie um ein "offenes System" handelt, das Modifikationen und Erweiterungen verlangt und verträgt. Nur, wieviel verträgt sie, oder besser, vertragen Biologen wirklich, ehe sie allergisch reagieren?


"Die Tatsache, dass berühmte Physiker, wie z.B. Max Planck, an Planmäßigkeit im Universum geglaubt haben, ist für die Biologen heute irrelevant." In diesem Satz Kutscheras steckt der wunde Punkt. Es geht um die unter Biologen übliche Ablehnung aller Teleologie, obwohl sie ihre Objekte nie und nimmer ohne teleologische Formulierungen (Erklärungen mittels Final- statt bloßer Konsekutivsätze) beschreiben können. Kant hat das mit seinem berühmten Verweis auf den fehlenden "Newton des Grashalms" schon richtig gesehen. Natürlich ist es Aufgabe der Biologie, die Zweckhaftigkeit des Lebendigen möglichst durch kausale Erklärungen aufzulösen - auch das hat ihr Kant schon ins Stammbuch geschrieben. Dass man aber ob der damit verbundenen Schwierigkeiten nicht ins Wundern geraten dürfe, ob hinter all dem nicht doch ein höherer Plan stecken könnte? Nichts anderes haben Planck und mit ihm viele andere Naturwissenschaftler, die beileibe keine Kreationisten waren, getan. Auch Biologen wundern sich bisweilen, aber nur im Geheimen, weil sie wissen, dass das in der Scientific Community als Unart gilt.


Freilich ist es eine Eigenheit der Finalursache, dass ihr Vorliegen erst vom Ende des Prozesses her stringent nachgewiesen werden kann. Deshalb aber von vornherein die Denkmöglichkeit einer solchen Ausrichtung auszuschließen und jede Metaphysik der Natur als irrationale "Glücklich-durch-Glauben"-Mentalität zu disqualifizieren, ist "Darwinismus" im üblen Sinn. Philosophisch gesehen fehlt der Evolutionstheorie für ein solch definitives Urteil das hinreichend feste Fundament.



Name und Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Christian Kummer

Hochschule für Philosophie

Institut für naturwissenschaftliche Grenzfragen

zur Philosophie und Theologie

Kaulbachstr. 31a, 80539 München