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Richard B. Bliss
Das Taschenbuch von Richard Bliss erweckt den Eindruck, es gehe um eine repräsentative
Bestandsaufnahme der Daten und Deutungsmöglichkeiten im Spannungsfeld "Schöpfung
/ Evolution". Das Vorwort von W. Ouweneel geht jedenfalls in diese Richtung:
es solle auch die "andere Seite" gehört werden, nicht nur die Deutungsweisen
der Evolutionslehre. Die Jugend, die besonders angesprochen wird, habe "das
Recht zu wissen, daß Evolution kein wissenschaftlich feststehendes Faktum
ist und daß Evolution nicht von allen Wissenschaftlern akzeptiert wird."
Diesem Anliegen kann ich nur voll zustimmen.
Doch die Ausführungen sind enttäuschend und erschreckend einseitig.
Es werden wenig Daten geboten und dafür umso schneller weitreichende Schlußfolgerungen
gezogen. Statt der in Aussicht gestellten repräsentativen Datenbilanz verfällt
der Autor in denselben Fehler, der zurecht Autoren von Evolutions-Lehrbüchern
vorgehalten werden kann: er blendet maßgebliche Daten in seiner Darstellung
aus. Wie so oft in Literatur über "Schöpfung / Evolution" erfährt
der Leser nichts oder nur in verzerrter Weise über pro-evolutionistische Argumente
wie z. B. die Regelhaftigkeit der Fossilablagerungen oder Ergebnisse aus radiometrischen
Datierungen, oder diese Aspekte werden unzureichend abgehandelt. Hin und wieder
werden Meinungen von Gelehrten wiedergegeben, die als Argument für die eigene
Sichtweise verwendet werden - Meinung anstelle überzeugender Detailargumentation.
Andererseits werden gute und auch dem Laien relativ leicht zu präsentierende
Argumente gegen Evolution ausgelassen.
Die Übersetzung ist an vielen Stellen unglücklich oder "unmöglich"
(z. B. "Uranium" statt "Uran"!) und manches Mal unverständlich
(der Übersetzer scheint nicht fachkundig zu sein). Viele erläuterungsbedürftige
Begriffe werden nicht erklärt (z. B.: weiß der Laie, was ein "Sporophyt"
ist? [S. 41]). Der Argumentation kann vielfach nur der Eingeweihte folgen, der ohnehin
schon weiß, worum es geht. Unterschwellig bringt der Autor zum Ausdruck, daß
Wissenschaftler vor allem dann ernstzunehmend seien, wenn sie Argumente gegen Evolution
vorbringen (so auf. S. 41 unten).
Dieser Gesamteindruck sei an Beispielen erläutert. In Kapitel 1 geht es
um die Ergebnisse aus sog. "Ursuppen"-Experimenten. Die Problematik einer
Übertragung von Simulationsexperimenten auf die gedachte frühe Urerde
wird hier mit Recht erwähnt, doch wird nichts darüber gesagt, daß
in solchen Versuchen nicht nur "Lebensmoleküle", sondern auch ein
großes Ausmaß an giftigem "Unrat" entsteht. Weiter wird das
Argument verschenkt, daß die Einzelbausteine, die in solchen Ansätzen
entstehen, gar nicht zu lebensnotwendigen Kettenmolekülen werden können.
Hierwid bei weitem nicht das an evolutionskritischen Argumenten herausgearbeitet,
was auch dem Laien verständlich gemacht werden könnte.
Das DNS-Molekül (Erbsubstanz) ist Gegenstand des 2. Kapitels. Hier wird
mit Wahrscheinlichkeitsberechnungen argumentiert, die angesichts der biologischen
Realität ganz unrealistisch sind. Der Vergleich, daß Lebewesen genausowenig
zufällig durch Mutationen entstehen können wie eine Boeing 747 auf einem
Schrottplatz, der sich selbst überlassen bleibt, geht an der biologischen Realität
vorbei. Das heißt nicht, daß mit Wahrscheinlichkeitaussagen nicht doch
stark gegen Evolution argumentiert werden kann, doch müssen in solche Überlegungen
Selektionswirkungen, die vorausgesetzten (wenn auch unbewiesenen) großen Zeiträume
und riesige Populationsgrößen berücksichtigt werden. Das alles mißachtet
der Autor und damit werden seine Zahlen bedeutungslos.
Das Homologie-Argument (Deutung von Ähnlichkeit; Kapitel 3) wird miserabel
behandelt. Beispielsweise wird auf M. Denton verwiesen: "Er sieht nur wenig
Bedeutung in der Lehre der Homologien." Ein substantielles Argument? Fehlanzeige.
De Beer wird zitiert: Homologe Strukturen entsprechen nicht den gleichen Anlagen.
Damit wird zwar ein echtes Problem aufgeworfen, aber mit keinem Wort weiter behandelt.
Der Laie wird mit dieser Information vermutlich nichts anfangen können. Weiter
werden Sequenzunterschiede von Proteinen (Aminosäure-Abfolgen) andiskutiert.
Das Neunauge ist demnach ähnlich verschieden vom Karpfen wie vom Frosch, Huhn,
Känguruh und vom Menschen, obwohl doch diese verschiedenen Organismen evolutionär
gesehen unterschiedlich eng verwandt sind. Es wird suggeriert, hierbei handle es
sich um ein Argument gegen Evolution, doch das ist nicht der Fall. Nach der Evolutionslehre
haben nämlich alle diese Organismen eine jeweils gleichlange unabhängige
Evolutionsgeschichte hinter sich, so daß die etwa gleichgroßen Unterschiede
verständlich sind. Man kann hieraus zwar dennoch ein Argument gegen Evolution
ableiten, doch muß dann viel differenzierter argumentiert werden; so wie Bliss
die Daten präsentiert und erläutert, stellen sie Evolution nicht in Frage;
der Kritiker kann das Argument des Autors schnell zunichtemachen. Dieses Kapitel
ist voller unverständlicher Formulierungen. Beispiel: "Ein Schöpfungsmodell
erklärt, daß die verwandtschaftlichen Beziehungen sich auf bestimmte
Familien oder Ordnungen wie Mensch, Affe, Hund usw. beschränken würden.
Nur dann kann man bestimmen, in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Dies ist
eine weitere denkbare Beurteilung derselben Daten" (S. 46). Auch der wohlwollende
Leser wird hier nicht mitkommen, wenn er nicht schin weiß oder ahnt, was der
Autor meint. Grob falsch ist die Darstellung, das Biogenetische Grundgesetz (der
Mensch wiederhole in der Embryonalentwicklung die Stammesgeschichte) habe seinen
Anfang in einer Fälschung von Ernst Haeckel gehabt. Hier gibt der Autor zu
erkennen, daß er sich nur sehr oberflächlich informiert hat.
Um "Evolutions- und Schöpfungsmechanismen geht es im sehr kurz gehaltenen
4. Kapitel. Der Autor geht nur auf das Beispiel des Birkenspanners und der verschiendenen
Eichhörnchenarten beiderseits des Grand Canyon ein. Viele gute Argumentationsmöglichkeiten
werden hier ausgelassen.
In den nächsten drei Kapiteln werden Fossilien besprochen. Die Regelhaftigkeit
der Fossilreihenfolge wird geleugnet, die Ordnung der Gesteinsschichten als "erdacht"
behauptet (S. 60). Zusammenhanglos eingestreut sind Zitate von Gelehrten (wie dem
Geologieprofessor D. Ager) oder Zeitschriftenzitate wie: "National Geographic
schreibt über den Übergang von behaarten, vierfüßigen Säugetieren
zu Walen: Wale sind Säugetiere mit einigen fischähnlichen Merkmalen"
(S. 62). Weiterer Bezug wird im Text auf diesen Satz nicht genommen; ich weiß
nicht, was er soll.
Unschön ist auch die immer wieder anzutreffende Polemik wie "Nur die
Vorstellungskraft aus dem Reich der Science-fiction kann ein evolutionäres
Geschehen aus den Daten der Fossilien herleiten" (S. 68). Nein, so geht es
nicht! In Wirklichkeit leugnet der Autor ohne weitere Begründung die pro-evolutionistischen
Argumente wie die Abfolge der geologischen Systeme mit ihren charakteristischen
Fossilinhalten.
Nicht viel besser ist das Kapitel über fossile Menschen und Menschenaffen.
Hier wird suggeriert, die Wissenschaftler würden in den Fossilien nur sehen,
was sie sehen wollen. Richtig daran ist, daß die Sichtweise, mit der die Fossilfunde
gedeutet werden, die Deutung kanalisiert. Das sollte auch unbedingt herausgestellt
werden. Doch ist die Auffassung weit überzogen, Wissenschaftler würden
Fossilien umso affenähnlicher machen, je älter sie seien (S. 86). Einzelargumente
werden willkürlich herausgegriffen, ohne daß der Blick aufs Ganze (d.
h. das gesamte Datenfeld) gerichtet wird (z. B. S. 90). Unbrauchbar ist das Argument,
Wale und Elefanten hätten ein größeres Gehirn als der Mensch, was
zeige, daß Gehirngröße nicht mit Intelligenz zusammenhängt.
Es ist jedoch bekannt, daß eine Relation zwischen Gehirn- und Körpergröße
besteht. Beim Gehirngrößenvergleich müssen natürlich Organismen
gleichen Gesamtgewichts verglichen werden.
Die angesprochenen Beispiele sollen als Belege genügen, daß dieses
Buch nicht empfohlen werden kann. Nebenbei verdirbt solche Literatur den Leuten
auch noch das Interesse am Thema. Wenn man die Ankündigungen des Klappentextes
dagegen hält, kann man als Christ nur noch heulen (der Evolutionist wird lachen).
Reinhard Junker
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