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Sonderheft
"Evolution - Kreationismus"
"Praxis der Naturwissenschaften - Biologie",
Heft 8/38 (Dezember 1989)
 

Im Februar 1989 bekam ich von einer Lehrerin den Tip, daß für die Dezemberausgabe der didaktischen Zeitschrift "Praxis der Naturwissenschaften - Biologie" (PdN-B) noch Artikel zum Thema "Kreationismus" eingereicht werden könnten. Daraufhin schrieb ich einem der Herausgeber und bot drei Themen an, die ich für PdN-B aus schöpfungstheoretischer Sicht schreiben könnte. Ich bekam postwendend Antwort und die Zusage für zwei der beiden Themen; auch der gewünschte Umfang wurde akzeptiert (an einem der beiden Artikel arbeitete auch Dr. Scherer mit).

Neben diesen beiden Artikeln erschien natürlich eine Überzahl schöpfungskritischer, z. T. polemischer Beiträge. Dennoch ist diese Chance positiv zu werten, denn bisher war kaum daran zu denken, in einer sonst ausschließlich evolutionstheoretisch ausgerichteten Zeitschrift unzensiert und unkommentiert eindeutig schöpfungstheoretisch orientierte (nicht nur evolutionskritische) Artikel zu veröffentlichen. Die beiden Artikel von unserer Seite waren ein Grundsatzartikel mit dem Thema "Schöpfung als Denkmöglichkeit?" und ein ausführlicherer bebilderter Beitrag über "Grundtypkonzept und Mikroevolution in der Schöpfungsforschung". Darin wird dargestellt, wie Schöpfungsforschung betrieben werden kann, die vom biblischen Zeugnis ausgeht, daß Gott die Tiere und Pflanzen nach ihrer Art schuf.

Die schöpfungskritischen Beiträge befaßten sich mit folgenden Themen: "Kreationismus in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland". Die Autoren erweisen sich als relativ gut informiert über die hiesige Situation; die Eigenständigkeit der deutschen Arbeit wird offenbar gesehen.

Der zweite Beitrag von Frau Dr. E. Rottländer geht auf die "Diskussion Schöpfungsmodell kontra Evolutionstheorie" anhand der Problematik um die "Rudimentären Organe" und das Biogenetische Grundgesetz ein. Zweifellos werden in diesem Beitrag berechtigte Anfragen an das Schöpfungsmodell gestellt (vgl. dazu "Rudimentäre Organe und Atavismen" von R. Junker, Zeitjournalverlag Berlin, 1989). Doch tauchen leider falsche Behauptungen auf (z. B. wird seltsamerweise der Schöpfungslehre unterstellt, sie sehe die embryonalen Kiemenderivate des menschlichen Embryos als überflüssige Strukturen an; S. 10) und manchmal wird in sinnentstellender Weise verkürzt zitiert. So wird der Eindruck erweckt, als würde von schöpfungstheoretischer Seite das Biogenetische Grundgesetz von Ernst Haeckel hauptsächlich deswegen kritisiert, weil Haeckel Embryonenbilder gefälscht hat. Doch wird in "Entstehung und Geschichte der Lebewesen" (woraus zitiert wird) deutlich gesagt, daß die damaligen Fälschungen für die heutige Bewertung der Sachlage ohne Belang ist. Oder es wird zwar die Behauptung zitiert, daß Haeckels Grundgesetz widerlegt sei, aber die auf vielen Seiten ausgeführten Belege werden unterschlagen. Damit wird der falsche Eindruck erweckt, als stelle die Schöpfungslehre hier Behauptungen ohen Beweisgründe auf. Immerhin handelt es sich aber um den einzigen evolutionstheoretisch ausgerichteten Beitrag dieses Heftes, der sich konkret mit den wissenschaftlichen Daten und ihren Deutungen auseinandersetzt.

Was weiter folgt, sind relativ pauschal und teilweise sehr polemisch gehaltene Aburteilungen der Schöpfungslehre. Der österreichische Biologie und Wissenschaftstheoretiker Franz M. Wuketits sieht die Auseinandersetzung zwischen Evolutions- und Schöpfungslehre im üblichen Schema von "Wissenschaft kontra Ideologie". Er vertritt zwar sein materialistisches Bild von der Evolution vehement, belegt es aber nicht durch Daten. Das wird offenbar als unnötig angesehen, denn: "Evolution, als Veränderung der Organismenarten, ist eine naturwissenschaftliche Tatsache" (S 28). Dem könnte man als Schöpfungstheoretiker sogar zustimmen, wenn eine begrenzte Veränderlichkeit gemeint wäre, doch denkt Wuketits dabei natürlich an eine Entwicklung "von der Amoebe bis Goethe". Sein Artikel macht deutlich, daß der Unterschied zwischen beiden Sichtweisen in den zugrundegelegten außerwissenschaftlichen Axiomen (wenn man so will: Glaubenssätzen) liegt. So operiert der Evolutionstheoretiker nicht mit übernatürlichen Kräften (S. 29). Genauer: Er schließt sie definitiv aus, und zwar a priori, nicht etwa, weil das aufgrund wissenschaftlicher Daten nahegelegt wird. Wissenschaft wird so definiert, und zwar auch was den historischen Bereich angeht, der der Beobachtung nicht zugänglich ist. In diesem Sinne ist Evolutionslehre selber "Ideologie". Die Behauptung, daß die Evolutionslehre zwar falsifizierbar (widerlegbar) sei, aber nie widerlegt wurde, ist in Teilaspekten sicher falsch und belegt die Einschätzung, daß Evolution im Kern eine Glaubenssache ist. Denn Glaube wird von widerspenstigen Daten nicht sofort umgeworfen. (Das gilt übrigens umgekehrt auch für die Schöpfungslehre; doch hat ihr auf die Bibel gründender Glaube eine Basis göttlichen Verheißungen.)

M. Mahner versucht in einem weiteren Artikel nachzuweisen, warum eine Schöpfungstheorie nicht wissenschaftlich sein kann. Der Artikel ist derart polemisch gehalten, daß ein Eingehen darauf nicht sinnvoll erscheint.

Aus der Sicht der Schöpfungslehre am unerfreulichsten ist im Grunde der letzte Beitrag, der eigentlich in einer biologischen Zeitschrift, wo es um die Sachargumente gehen sollte, nichts zu suchen hat. Es handelt sich um "Schöpfung oder Evolution: Ein unzeitgemäßer Konflikt" von W. Bange. Der Autor will die Irrelevanz der schöpfungstheoretischen Bemühungen aus theologischer Sicht aufzeigen. Als Begündung dient die exegetisch unhaltbare Vorstellung, 1 Mose 1 sei ein Schöpfungslied ohne Anspruch, etwas über die reale Schöpfung sagen zu wollen. Die von theologischer Seite vielfach geäußerte, aber nach meiner Kenntnis unbegründete Sicht wird zum x-ten Mal vorgelegt: "Wichtig ist ihm (dem Schöpfungsbericht) nicht, wie der Mensch wurde, sondern was er ist, nämlich Bild Gottes" (S. 39). Zwei Rückfragen: Ab wann war er das im Laufe der Evolution, die von affenartigen Vorfahren ausging? - Auf die dogmatischen Konsequenzen dieser Sicht geht der Autor wie so oft (wie fast immer) mit keinem Wort ein; es handelt sich um eine vorgetäuschte Harmonie zwischen Evolution und Bibelzeugnis. Die zweite Frage: Wie kam man darauf, daß der Schöpfungsbericht nicht mehr sagen will: "Die Ergebnisse der Naturwissenschaften, vor allem die Evolutionslehre, gaben Anlaß dazu, genauer auf die literarische Eigenart der biblischen Schöpfungserzählungen zu achten." Der Vergleich mit mutmaßlich "viel älteren" außerbiblischen Schöpfungsmythen sei ebenfalls sehr aufschlußreich gewesen. Darauf kann nicht in Kürze geantwortet werden; doch muß auch eingeräumt werden, daß diese Fragestellung einer intensiven Bearbeitung durch einen Mitarbeiter von Wort und Wissen bedarf. Die theologische Auseinandersetzung um die bilbische Schöpfungslehre ist umso wichtiger, als im Religionsunterricht, den fast jeder Schüler noch genießt, die Evolutionslehre religiös untermauert wird. Das Gespräch mit Theologen und Religionslehreren hat sich bisher als besonders schwierig erwiesen.

In den meisten Beiträgen wird spürbar, daß das Lehrbuch "Entstehung und Geschichte der Lebewesen" (R. Junker, S. Scherer; Weyel-Verlag, Gießen, 2. Aufl. 1988) als Herausforderung angesehen wird. Frau Rottländer schreibt: "Sie (die Autoren dieses Buches) suchen 'eine von Emotionen befreite Auseinandersetzung auf sachlicher Ebene' und sie verstehen ihr Buch 'als einen Schritt auf dieses Ziel hin'. - Den Leser mag Ratlosigkeit befallen: Es ist legitim und für den wissenschaftlichen Fortschritt notwendig, Gegenhypothesen oder -theorien zu entwickeln. Selbst eine so etablierte Theorie wie die Evolutionstheorie darf da nicht ausgenommen sein." Die Notwendigkeit einer rationalen Auseinandersetzung wird also mindestens teilweise betont; Rundumschläge oder pauschale Ablehnung mit Schubladisierungen wie "Fundamentalismus" etc. genügen nicht mehr. Das ist nicht immer so (gewesen).

Reinhard Junker
aus "Wort und Wissen Info 9" (Juni 1990)
 


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